Sicherheit in der Arzneimittelversorgung

Aktuell kann die Versorgung mit Arzneimitteln nicht in allen Fällen sichergestellt werden. Trotz bereits ergriffener Massnahmen bleibt die Arzneimittelversorgung angespannt. Der Bund realisiert nun weitere Massnahmen zur Stärkung der Arzneimittelversorgung.

Versorgungsengpässe mit Arzneimitteln nehmen weltweit zu, auch in der Schweiz. Die Situation bleibt angespannt und zeigt sich in den Meldungen der Meldestelle für lebenswichtige Humanarzneimittel der wirtschaftlichen Landesversorgung (WL).

Betroffen sind vor allem Generika und Medikamente mit abgelaufenem Patentschutz, insbesondere starke Schmerzmittel wie Opioide, Impfstoffe, Insulin oder Antibiotika. Daher sind viele Patientinnen und Patienten betroffen.

Die Ursachen der Engpässe bei der Arzneimittelversorgung

Die Ursachen und Folgen der Engpässe sind komplex. Sie sind mehrheitlich globalen Ursprungs und haben sich im Laufe der Jahrzehnte entwickelt. Neben den globalen Ursachen gibt es auch Schweiz-spezifische Besonderheiten, die Versorgungsengpässe begünstigen können. Diese Ursachen und Folgen können wie folgt zusammengefasst werden:

Die vertikale Abbildung zeigt die Supply Chain (Versorgungskette) von Arzneimitteln, die in 12 Teilschritte von oben nach unten unterteilt ist. Die Icons der Teilschritte werden nacheinander aufgeführt: 1. Ausgangsstoffe (KSMs), 2. Aktive Pharmazeutische Wirkstoffe (APIs), 3. Hilfsstoffe, 4. Verpackung, 5. Endprodukt, 6. Abfüllen und Abfertigen, 7. Zulassung, 8. Preissetzung, 9. Logistik, 10. Grosshandel, 11. Apotheken, Krankenhäuser und Arztpraxen (sind auf der gleichen Ebene), 12. Patientinnen und Patienten  In der Grafik sind Nummern angezeigt, die die Schritte kennzeichnen, an denen Ursachen für Versorgungsstörungen auftreten können. Diese Nummern werden im Text der Webseite nach dieser Abbildung ausführlich beschrieben. Nummer 1 erstreckt sich über die gesamte Versorgungskette. Nummer 2 und 3 umfassen die ersten drei Teilschritte: Ausgangsstoffe, Aktive Pharmazeutische Wirkstoffe und Hilfsstoffe. Nummer 4 und 5 beziehen sich auf die ersten sechs Teilschritte bis und mit Abfüllen und Abfertigen. Nummer 6 steht für den Schritt der Zulassung. Nummer 7 betrifft die Preissetzung. Nummer 8 bezieht sich auf die Patientinnen und Patienten.  Diese Aufteilung ermöglicht eine detaillierte Untersuchung der potenziellen Ursachen von Versorgungsstörungen entlang der gesamten Versorgungskette für Arzneimittel.

1 Der ökonomische Druck, die Subventionspolitik sowie tiefere Regulierungsvorgaben in Niedriglohnländern führten zur Globalisierung des Pharmasektors.

2 Wichtige Teile der Wertschöpfungsketten, unter anderem die Produktion von zentralen Wirkstoffen, wurden nach Asien (z.B. China und Indien) verlagert.

3 Die Konzentration auf einige wenige anbietende Firmen und somit auch die gegenseitige Abhängigkeit hat stark zugenommen. So werden rund ein Drittel der Wirkstoffe, welche im US-amerikanischen Generikamarkt verwendet werden, nur von einem einzigen Betrieb und ein weiterer Drittel von zwei bis drei Betrieben hergestellt.

4 Moderne Produktions- und Lieferkettenkonzepte wie die Just-in-Time-Produktion und Lieferung führten zu geringeren Reserven entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Just-in-Time-Produktion und -Lieferung ist eine bedarfssynchrone Produktion, bei der Materialien genau in der Menge und zu dem Zeitpunkt geliefert werden, zu dem sie für die Produktion benötigt werden. Doch starke Nachfragesteigerungen können aufgrund begrenzter Produktionsreserven nicht bewältigt werden.

Die Klumpenrisiken der globalen Lieferketten wachsen, dadurch sinkt die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten gegenüber externen Faktoren. Als externe Faktoren werden unter anderem geopolitische Konflikte, Exportbeschränkungen, Naturkatastrophen, Pandemien und plötzliche Nachfragespitzen verstanden.

6 Um ein Arzneimittel in der Schweiz auf dem Markt zu bringen, müssen die herstellenden Firmen ihre Produkte gemäss den Schweizer Vorschriften zulassen.

7 Für die global ausgerichtete Pharmaindustrie ist der im internationalen Vergleich kleine Schweizer Markt aus ökonomischen Gründen wenig attraktiv.

8 Der Markt kann aufgrund der genannten Faktoren nicht genügend reagieren. Apotheken und Spitalapotheken stellen Arzneimittel für Patientinnen und Patienten her. Gesetzliche Ausnahmeregelungen kommen zur Anwendung, wie das begrenzte Inverkehrbringen von in der Schweiz nicht zugelassener Arzneimittel. Patientinnen und Patienten erhalten Ersatztherapien.

Was der Bund bisher unternommen hat

Für die Versorgungssicherheit ist in der Schweiz nicht nur der Bund zuständig. Primär obliegt sie der Wirtschaft (Art. 102 BV, sowie Art. 3 Abs. 1 LVG). Die Kantone sind grundsätzlich zuständig für das Gesundheitswesen in ihrem Hoheitsgebiet (Subsidiäre Generalkompetenz der Kantone; Art. 3 und Art. 42 Abs. 1 BV). Dem Bund kommt nur in schweren Mangellagen (Art. 102 BV i.V.m. LVG) oder einer Pandemie, wenn lebenswichtige Güter und Dienstleistungen oder wichtigste Heilmittel zur Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten fehlen, eine subsidiäre Versorgungsaufgabe zu (Art. 118 Abs. 1 Bst. b BV sowie Art. 44 EpG).

Eine solche verfassungsrechtliche Voraussetzung ist in der aktuellen Situation zwar nicht gegeben. Hier ist der Handlungsspielraum des Bundes deshalb beschränkt, dennoch übernimmt er eine koordinierende Rolle und sucht nach Lösungen.

Die vertikale Abbildung zeigt einen Zeitstrahl von 2006 bis heute, der die Entwicklung wichtiger Meilensteine des Bundes für die Sicherheit der Arzneimittelversorgung darstellt. Insgesamt werden 8 Jahre hervorgehoben, in denen bedeutsame Ereignisse stattfanden. Diese Meilensteine werden chronologisch aufgezählt und im anschliessenden Text näher erläutert.

2006 Der Bundesrat ergriff zum ersten Mal Massnahmen, um die Versorgungssicherheit zu verbessern.

2009 Die erste Etappe der Revision des Heilmittelrechtes (HMG) schuf rechtliche Voraussetzungen, damit die Spitäler die Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln besser sicherstellen können.

2012 Der Bundesrat wurde durch einen Vorstoss des Parlamentes (Postulat Heim 12.3426) beauftragt, die Versorgungssituation in der Schweiz zu analysieren.

2015 Die Meldestelle Heilmittel für lebenswichtige Humanarzneimittel der WL wurde in Betrieb genommen.

2016 Im Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats Heim 2012 «Sicherheit in der Arzneimittelversorgung» wurden strukturelle und prozessuale Massnahmen für Bund und Kantone vorgeschlagen, um die sichere und geordnete Versorgung mit Arzneimitteln langfristig wirkungsvoll zu verbessern.

2019 Die im Rahmen des Postulats Heim vorgeschlagenen Änderungen traten mit der zweiten Etappe der Revision des HMG im Jahr 2019 in Kraft. Damit ergriff der Bundesrat ein weiteres Mal Massnahmen, um den Handlungsspielraum der leistungserbringenden Personen zur Sicherstellung der Versorgung der Patientinnen und Patienten zu erweitern. Dazu gehören auch die erweiterten Möglichkeiten zur Eigenherstellung sowie das befristete Inverkehrbringen von in der Schweiz nicht zugelassener Arzneimittel.

2019 Um die bisherigen Massnahmen zu ergänzen, wurde das BAG in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Heilmittel der WL, Swissmedic und der Armeeapotheke beauftragt, die Versorgungsicherheit in der Schweiz erneut zu analysieren und weitere Massnahmen vorzuschlagen.

2022 Der Bericht «Versorgungsengpässe mit Humanarzneimitteln in der Schweiz: Situationsanalyse und zu prüfende Verbesserungsmassnahmen» wurde am 16. Februar 2022 vom Bundesrat zur Kenntnis genommen.

2022 Mit der Veröffentlichung des «BAG-Bericht Arzneimittelversorgungsengpässe» wurde das Departement des Innern EDI (BAG) und das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF (WL) beauftragt, die gelisteten Massnahmen vertieft zu prüfen und konkrete Umsetzungsvorschläge zu erarbeiten. Die Erarbeitung erfolgt gemeinsam mit dem Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS (insbesondere die Armeeapotheke) sowie unter Einbezug relevanter Stakeholder aus dem Gesundheitswesen.

2023 Erste Umsetzungsvorschläge werden dem Bundesrat unterbreitet. Auf Antrag des Fachbereich Heilmittel der WL beschliesst der Bundesrat die Ausweitung der Meldepflicht und die Prüfung des Ausbaus der Meldeplattform.

2024 Mehrere Ausbauvarianten werden durch die WL dem Bundesrat unterbreitet. Der Bundesrat beauftragt im Januar das WBF, eine leistungsstarke und zukunftsorientierte Monitoringplattform für Heilmittel aufzubauen.

2024 Der Bundesrat nimmt im August den Schlussbericht 2024 «Umsetzungsvorschläge zu den Massnahmen des BAG-Berichts Arzneimittelversorgungsengpässe, Schlussbericht der Interdisziplinären Arbeitsgruppe» zur Kenntnis. Dieser beinhaltet die Prüfergebnisse und ein weiteres Bündel an Umsetzungsvorschläge zur Verbesserung der Versorgungssituation mit Arzneimitteln in der Schweiz. Der Bundesrat erteilt Realisierungsaufträge an das EDI, das WBF, sowie das VBS. Es handelt sich dabei um strukturelle Massnahmen, welche das System resilienter gegen Versorgungsstörungen gestalten sollen.
Zudem erteilt der Bundesrat dem EDI das Mandat, eine weitere Expertengruppe Versorgungssicherheit einzusetzen. Damit will er die dynamische Entwicklung im Zusammenhang mit der Arzneimittelversorgung Rechnung tragen.

2025 Die Expertengruppe ist konstituiert und nimmt ihre Arbeit auf. Ende 2025 sollen die Ergebnisse und allfällige weitere Umsetzungsvorschläge dem Bundesrat unterbreitet werden.
Gleichzeitig werden erste Realisierungsarbeiten zur Stärkung der Versorgungssicherheit aufgenommen. Swissmedic prüft weitere Erleichterungen zum vereinfachten Zulassungsverfahren. Die Ergebnisse sollen Ende 2025 dem Bundesrat unterbreit und das weitere Vorgehen festgelegt werden.

Im Rahmen der laufenden HMG-Revision 3b sollen in den Bereichen der Eigenherstellung durch den Bund und zum zeitlich oder mengenmässig begrenzten Inverkehrbringen von in der Schweiz nicht zugelassenen Arzneimitteln Anpassungen beantragt werden. Die Vernehmlassung soll im 4. Quartal 2025 eröffnet werden.

Zur Überbrückung akuter Arzneimittelengpässe haben die Kantonsapothekerinnen und -apotheker der Schweiz (KAV) gemeinsam mit dem BAG und Swissmedic vereinbart, den Begriff «Notfall» in Artikel 49 der Arzneimittel-Bewilligungsverordnung (AMBV) vorübergehend auszuweiten. Damit können in der Schweiz nicht zugelassene oder nicht verfügbare Arzneimittel, die dringend benötigt werden, auch dann eingeführt und kurzfristig gelagert werden, wenn sie nicht nur für eine bestimmte Patientin oder einen bestimmten Patienten vorgesehen sind. Die neue Regelung ist eine Übergangslösung und gilt bis zum Inkrafttreten der laufenden gesetzlichen Anpassungen im Rahmen der HMG-Revision 3b. Sie verbessert insbesondere die Versorgung in der Pädiatrie, da kindgerechte Medikamente besonders häufig von Lieferengpässen betroffen sind – sowohl aufgrund wirtschaftlicher Faktoren als auch wegen fehlender Alternativen. Diese Massnahme erlaubt es, rasch und rechtskonform auf akuten Bedarf zu reagieren, damit kranke Kinder nicht auf benötigte Medikamente warten müssen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Gesetze

Gesetzgebung Arzneimittel und Medizinprodukte

Das Heilmittelrecht besteht aus dem Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte (HMG) sowie den zugehörigen Verordnungen. Es wird regelmässig an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik angepasst.

Letzte Änderung 10.06.2025

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