Bern, 26.9.2023 - Einbettende Erläuterungen von Anne Lévy, Direktorin BAG, anlässlich der Medienkonferenz zu den Krankenkassen-Prämien fürs Jahr 2024, Bern – Es gilt das gesprochene Wort.
Meine Damen und Herren
Wir alle schätzen es, auf eine gute Gesundheitsversorgung zählen zu können. Es ist uns aber auch wichtig, dass diese bezahlbar bleibt.
Aufgrund der höheren Kosten steigen die Prämien nun stark an. Das fordert alle heraus. Denn die Prämien machen vielen Haushalten zu schaffen. Es sind darum alle gefordert, die Gründe für die steigenden Kosten genau zu eruieren – und gemeinsam Lösungen zur Dämpfung der Kosten zu suchen.
Mit dem Ziel, die hohe Qualität unserer Versorgung aufrecht zu erhalten und weiterhin laufend zu verbessern. Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.
Das BAG hat die von den Versicherern festgelegten Prämien genau analysiert. Unsere Aufgabe ist es, kritisch zu überprüfen ob diese den gesetzlichen Grundlagen entsprechen, das heisst,
- dass die Prämien den kantonalen Kosten entsprechen;
- dass die Prämienrabatte gesetzeskonform sind;
- und dass die Versicherer über ausreichende, aber nicht übermässige Reserven verfügen.
Die Reserven konnten die Verluste von 2022 vollumfänglich decken. Die Krankenversicherer verfügen insgesamt noch über genügend Reserven, aber das Polster ist weg, um den Prämienanstieg mit den Reserven abfedern zu können, wie Bundespräsident Alain Berset hervorgehoben hat.
Die Solvenz der Versicherer ist also gesunken. Es waren unter dem Jahr jedoch keine besonderen Massnahmen nötig.
Wir haben auch die Kantone stark in die Prämiengenehmigung einbezogen. Wie in den Vorjahren haben diese zu den geschätzten Kosten 2023 und 2024 der Versicherer Stellung nehmen können.
Diese Rückmeldungen sind für uns wichtig, um die kantonalen Hochrechnungen und Budgets der Versicherer besser zu prüfen.
Überall steigen die Prämien deutlich. Die Situation variiert wie immer aber je nach Kanton. Prozentual erhöhen sich die Prämien am stärksten in den Kantonen Tessin (+10,5%) und Zug (+10,2%), am schwächsten in den Kantonen Appenzell Innerrhoden und Basel-Stadt (je +6,5 %).
Auf unserer Website finden Sie vertiefende Angaben dazu. Ebenso unserem Prämienrechner, priminfo, der einen guten Überblick über alle Prämien gibt
Ein Teil des Anstiegs lässt sich erklären. Dazu gehört die erfreuliche Tatsache, dass wir länger leben. Mit dem höheren Alter nimmt die Gesundheit tendenziell aber eher ab. Damit steigt der Bedarf an Behandlungen und Medikamenten. Dank dem medizinischen Fortschritt werden zudem mehr Krankheiten erkannt und behandelt.
Die Unterschiede zwischen den Kantonen werden stark von der Altersstruktur und Dichte des Versorgungsangebots beeinflusst: Je grösser das Angebot an Spitälern, Spezialistinnen und Spezialisten ist, desto mehr Behandlungen gibt es tendenziell.
Ein Teil des Anstiegs geht aber auch darauf zurück, dass das Angebot viel stärker genutzt wird. Das betrifft etwa die ambulanten Spitalbehandlungen, Medikamente oder die Physiotherapie.
Das zeigt die beiden Seiten unseres Gesundheitswesens auf, das Spannungsverhältnis: Unser Gesundheitswesen ist gut, ermöglicht vieles, dies meist auch ohne lange Wartezeiten – und so wird es rege genutzt. Es entspricht offensichtlich einem Bedürfnis der Bevölkerung. Aber das hat seinen Preis.
Der starke Prämienanstieg ist daher ein Warnsignal an alle Beteiligten: Wir müssen die Koordination zwischen den Anbietern sowie die Prävention stärken – und mehr darauf achten, medizinisch nötige Behandlungen von unnötigen zu unterscheiden. Und die Kosten gezielt weiter senken.
Der Schweizer Versorgungsatlas liefert wichtige Hinweise dazu. Er zeigt, wie sich Gesundheitsbehandlungen von Kanton zu Kanton unterscheiden. Er ist damit auch ein Abbild der unterschiedlichen Angebote sowie Ansprüche in unserer Gesellschaft. Die Unterschiede sind teils derart frappant, dass man sie rein medizinisch nicht begründen kann: Sowohl bei Operationen am Knie (Meniskus), an den Hüften oder um einen Hallux zu beheben gibt es grosse Unterschiede, als auch bei der Abgabe von Beruhigungs- und Schmerzmitteln oder Eiseninfusionen.
Diese Beispiele zeigen: Wir müssen die Unterschiede noch besser verstehen und die Konsequenzen daraus ziehen. Wir müssen alle zusammen noch genauer hinschauen.
Das BAG hat verschiedene Analysen gemacht, um die Kostentreiber zu eruieren. Diese zeigen, dass es nicht den einen Kostentreiber gibt.
Die Situation präsentiert sich vielschichtig. Viele Lösungen sind politisch zudem stark umstritten. Wir bleiben aber dran.
Hilfreich wäre: Eine übergeordnete Klammer zu schaffen, um die Stärkung der Gesundheit ins Zentrum zu rücken.
Unsere Analysen liefern eine Basis für die Massnahmen, die der Bund trifft, um Kosten zu senken. Bundespräsident Berset hat die wichtigsten Massnahmen erwähnt, etwa die Senkung der Labortarife sowie der Medikamentenpreise oder die Kostendämpfungspakete.
Unsere Fachleute überprüfen zudem laufend ausgewählte medizinische Leistungen, um zu klären, ob sie wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind. Diese umfassenden, wissenschaftlich fundierten Analysen werden von unabhängigen externen Spezialistinnen und Spezialisten durchgeführt, unter Einbezug der betroffenen Kreise wie medizinische Fachgesellschaften, Patientenorganisationen und Krankenversicherer. Dadurch konnten, seit dem Start 2017, jährlich bis zu 75 Millionen Franken eingespart werden, ohne die Versorgungs- und Behandlungsqualität zu gefährden. Konkret überprüft wurden z.B. die Vitamin D-Tests.
Die Analysen zu Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit liefern auch wichtige Anregungen, um die Versorgungs- und Behandlungsqualität zu verbessern.
Medizinische Fachorganisationen, Spitäler und Verbände sind am Thema ebenfalls dran. Sie überprüfen, wo Behandlungen gemacht werden, die den Patientinnen und Patienten keinen Mehrwert bringen. Wir begrüssen Privatinitiativen wie «Smarter medicine», wo die Gesundheitsfachpersonen für ihre jeweilige Fachbereiche selber auf unnötige Behandlungen aufmerksam machen. Weniger ist manchmal mehr!
Diese Beispiele zeigen: Es lohnt sich, genauer hinzuschauen.
Damit können wir den Kostenanstieg bremsen, ohne dass auf medizinisch nötige Behandlungen verzichtet werden muss.
Damit können wir unser Gesundheitssystem stärken.
Letzte Änderung 03.11.2023
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