On the importance of security of supply and digitalisation in strengthening the healthcare system

Grenzach, 16.2.2024 - Keynote speech by Anne Lévy, FOPH Director, at the internal annual kick-off meeting of Roche Pharma Schweiz – Check against delivery.

Sehr geehrte Frau Gasser
Werte Mitarbeitende von Roche Schweiz
Geschätzte Damen und Herren

Ich freue mich sehr, an Ihrem Kick-Off-Anlass dabei sein zu können. Und möchte Ihnen gern fürs neue Jahr meine besten Wünsche überbringen: alles Gute! Beruflich wie privat.

Vielen Dank auch für die Einladung, die ich sehr gerne angenommen habe. Denn Austausch und Dialog sind mir wichtig. Erlauben Sie mir, dass ich zuerst etwas auf die Aufgaben und die Rolle des BAG eingehe - und Ihnen danach unserer Schwerpunkt-Themen darlege.

Der Name «Bundesamt für Gesundheit» sagt es. Wir kümmern uns um das Gesundheitswesen der Schweiz. Der englische Begriff – «Federal Office of Public Health» – bringt es noch deutlicher auf den Punkt: Es geht um die öffentliche Gesundheit, um die Gesundheit unserer Bevölkerung.

Warum betone ich das? Lassen Sie es mich etwas plakativ an einem Beispiel illustrieren: Eine Ärztin wird dafür gefeiert, dass sie erfolgreich ein Herz transplantiert und damit ein Menschenleben rettet. Auch ich finde das grossartig, dass wir das heute können. Und begrüsse den medizinischen Fortschritt der letzten Jahre sehr. Aus Sicht der öffentlichen Gesundheit sind für unsere Gesellschaft fünfhundert Menschen, die wir vom Rauchen abbringen können, aber ebenfalls wichtig. Wir retten so potentiell 500 Menschenleben. Applaus ernten wir dafür selten. Lange Diskussionen im Parlament hingegen oft.

«Public Health» bedeutet auch, sich das Resultat verschiedener Studien vor Augen zu führen. Die sagen, dass wir 10 bis 20 Prozent unserer Gesundheit der Gesundheitsversorgung verdanken. Hier sind Sie ein wichtiger Player! 80 bis 90 Prozent unserer Gesundheit hängen hingegen von unseren Lebensumständen ab. Davon, wo wir geboren werden, wie wir aufwachsen, welche Schulen wir besuchen, was wir arbeiten.

Ebenfalls wichtig für unsere Gesundheit: eine intakte Umwelt und gesunde Tiere. Der damit verbundene Begriff – «One Health» – hat sich in den 1970er Jahren etabliert. Er besagt, dass die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt zusammenhängen. Das berücksichtigen wir in unserer Strategie Antibiotikaresistenzen. Mit der wir die Entstehung von neuen Resistenzen verhindern und deren Übertragung und Verbreitung eindämmen wollen.

Ich habe mich sehr darüber gefreut, zu lesen, dass Roche zu einem neuen Wirkstoff gegen das multiresistente Bakterium Acinetobacter baumannii forscht. Denn Antibiotikaresistenzen sind ein riesiges «Public Health»-Problem! Es betrifft uns alle, wenn Antibiotika gegen eigentlich harmlose bakterielle Infekte nicht mehr wirken. Und eine Blasenentzündung, eine Blutvergiftung, eine Lungenentzündung oder ein chirurgischer Eingriff plötzlich schwere Folgen nach sich zieht.

Zum Verständnis der Aufgaben und Rolle des BAG ist zudem wichtig zu wissen:

Der Bund hat in der Schweiz nicht allein das Sagen. Für viele Bereiche sind schwergewichtig die Kantone zuständig. Beispielsweise bei der Schul-Bildung oder eben bei der Gesundheit.

Jeder Kanton entscheidet selbst, wie er die optimale Gesundheitsversorgung für seine Bevölkerung organisiert. Das gilt für die Anzahl Spitalbetten genauso wie für die ausreichende Notfallversorgung. Oder für den Entscheid, wer im Kanton eine Prämienverbilligung erhält.

Eine gut funktionierende, öffentliche Gesundheit bedingt darum, dass alle Akteure am gleichen Strick ziehen. Damit alle Menschen in der Schweiz in einem Umfeld leben können, das ihre Gesundheit stärkt. Egal, welchen Bildungsstand sie haben oder wie viel sie verdienen. Damit alle von einem Gesundheitssystem profitieren können, das gut und bezahlbar ist.

Eine unserer zentralen und eigentlich auch die spannendste Aufgabe ist, für die gesundheitspolitischen Herausforderungen Lösungen auszuarbeiten. Lösungen, die von den unterschiedlichen Akteuren gutgeheissen und mitgetragen werden. Warum ist das wichtig?

Weil die Schweiz nicht nur ein föderaler Staat ist. Die Schweiz beruht auch stark auf Konsensentscheiden. Die Macht der Regierung – des Bundesrates – ist beschränkt.

In der Schweiz bringen sich 26 Kantone, rund 50 Krankenkassen, 276 Spitalbetriebe und die dazugehörigen Gesundheitsfachpersonen, gut 19 000 Ärztinnen und Ärzte, verteilt auf rund 17 000 Arztpraxen, zahlreiche Berufs- und Branchenverbände sowie Forschung und Industrie in die Gesundheitspolitik ein. Sie vertreten unterschiedliche Interessen. Selbst innerhalb einer Branche ist man sich nicht immer einig. Ich denke da beispielsweise an die beiden Krankenkassenverbände Santésuisse und Curafutura oder die Verbände der Pharmaindustrie.

Konsens zu finden, braucht Zeit. Anschaulich sehen wir das bei der Reform für eine «Einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen» (EFAS). Ziel der Vorlage ist es, Fehlanreize zu beheben und Gesundheitskosten zu senken. Das Parlament hat die Vorlage im Dezember – nach 14 Jahren! – verabschiedet. Und jetzt droht das Referendum.

Sie sehen – wir brauchen Geduld! Das ist manchmal auch für mich ein zäher Prozess. Er hat sich bei uns aber bewährt: In der Schweiz, wo die Bevölkerung viermal im Jahr über Vorlagen abstimmen kann, mit dem Referendum Vorlagen verhindern und mit der Initiative Reformen lancieren kann, braucht es breit abgestützte Entscheide, um vorwärts zu kommen.

Zu unseren Themen:

Wer an das BAG denkt, denkt meistens zuerst an die Krankenkassenprämien. Oder vielleicht an Impfungen. Oder die die Vergütung von Medikamenten. Das BAG bereitet aber auch Massnahmen für einen allfälligen nuklearen Störfall vor. Ein Szenario, das uns mit dem Krieg in der Ukraine leider wieder stärker beschäftigt. Auch die Gesundheitsaussenpolitik ist bei uns. Das BAG vertritt zurzeit die Schweiz im Exekutivrat der WHO. Zudem bringen wir die Stimme der Schweiz an informellen Ministertreffen der EU oder an den G20-Gesundheitsgipfeln ein.

Wichtiges Thema ist zudem die Prävention von nicht übertragbaren Krankheiten. Dazu gehören unter anderem Krebs, Diabetes, aber auch Sucht oder psychische Erkrankungen. Die Prävention zu stärken, ist zentral: Wer gar nicht erst krank wird, dem wird viel Leid erspart. Zudem lassen sich Kosten sparen, gehen doch 80% der Gesundheitskosten auf das Konto dieser Krankheiten. Prävention lohnt sich also! Für uns alle.

Nebst diesen Themen kümmern wir uns auch um die grossen Trends im Gesundheitswesen. Zwei davon möchte ich gern vertiefen: die Digitalisierung und die Versorgungssicherheit.

Zur Digitalisierung: Unser Gesundheitssystem ist hervorragend. Allerdings hinken wir bei der Digitalisierung hinterher. Es ist ja aber nicht so, dass in den Arztpraxen, den Spitälern oder den Forschungsbetrieben keine digitalen Anwendungen zum Einsatz kommen. Das Problem ist vielmehr, dass die verschiedenen Informatiksysteme nicht dieselbe Sprache sprechen. So gehen Daten verloren oder müssen mehrfach erfasst werden. Und sie können nur beschränkt für die Forschung, für politische Entscheide oder die Qualitätskontrolle verwendet werden.

Das will der Bundesrat ändern. Damit alle relevanten Gesundheitsdaten rasch und einfach digital zugänglich sind. Für die Patientinnen und Patienten und all jene, welche die Daten für Behandlung, Abrechnung, Steuerung und Forschung brauchen. Also auch für Sie. Als Patientin oder Patient, aber auch als Mitarbeitende von Roche.

Der Bundesrat hat dazu im November «DigiSanté» verabschiedet – ein Programm zur digitalen Transformation im Gesundheitswesen. Absolut entscheidend dafür ist die Standardisierung. Sie ist das Herz der digitalen Transformation. DigiSanté ermöglicht eine Art Grundinfrastruktur für unser Land, einen digitalen Service Public. Dafür müssen – um es bildlich zu sagen – im digitalen Gesundheitssystem Schweiz künftig alle verbindlich die gleiche Sprache sprechen. Genauso wie Schiffscontainer für den weltumspannenden Gütertransport eine Normgrösse haben, brauchen auch die digitalen Daten für den nahtlosen Transport durch verschiedene digitale Systeme hindurch, verbindliche Standards.

Der Bund geht mit gutem Beispiel voran: Zusammen mit dem BFS arbeiten schon an konkreten Projekten. Beispielsweise mit einem Programm, um Spitaldaten einfacher zu erheben. Indem alle Beteiligten auf einer kollaborativen Plattform zusammenarbeiten und die Daten damit nur einmal erhoben werden müssen («once only»).

Das Programm DigiSanté will also: Daten standardisieren. Dafür braucht es auch einen «eindeutigen Patientenidentifikator, der sicherstellt, dass die richtigen Behandlungsdaten mit der richtigen Person verknüpft werden. Wo nötig, müssen wir die Vorgaben auch gesetzlich verankern und wir wollen die verschiedenen Digitalisierungsvorhaben orchestrieren. Damit sich der volle Nutzen für das ganze Gesundheitssystem entfalten kann.

Wie wichtig Vereinfachungen sind, zeigt sich beim elektronischen Patientendossier. Es steht immer mal wieder in Kritik. Aber: Das EPD funktioniert. Es kann schweizweit online eröffnet werden. Und die Gesundheitsdaten einer Patientin, eines Patienten sind online rasch zugänglich und in einem Dossier praktisch gebündelt. Wer ein EPD besitzt, hat also jederzeit und überall Zugriff auf seine Gesundheitsdaten.

So kann jeder und jede die Medikationsliste der Hausärztin mit dem Spital teilen, den Austrittsbericht des Spitals mit dem Physiotherapeuten oder den Behandlungsplan der Physiotherapeutin mit dem Spitex-Pfleger. Ich kann aber auch die Labordaten meines letzten Arztbesuchs beim nächsten Besuch wiederverwenden und der Ärztin sagen, dass sie nicht erneut ein Labor machen muss. Das spart mir nicht nur einen Piks, sondern auch Kosten.

Woran wir zurzeit arbeiten, sind strukturierte Daten. Dafür braucht es die Standards, die ich erwähnt habe. Damit beispielsweise das Attribut «männlich» oder «weiblich» immer gleich benannt wird. Und nicht einmal mit «1» und «2» und ein anderes Mal mit «m» und «f». Das ist eine wichtige Voraussetzung, damit die Daten aus dem EPD zukünftig auch für die Forschung genutzt werden können. Vorausgesetzt, die Patientin, der Patient ist damit einverstanden und gibt die Nutzung seiner Gesundheitsdaten für die Forschung frei.

Womit sich der Kreis schliesst und wir wieder beim übergeordneten Megatrend der «Digitalisierung» sind. Je mehr Menschen Nutzen und Wert ihrer Gesundheitsdaten für die Forschung und damit für die die Allgemeinheit erkennen, desto mehr werden sich bereit erklären, ihre Daten zur Verfügung zu stellen.

Zum zweiten grossen Trend: der Versorgung mit Medikamenten. Hier beschäftigen uns der rasche Zugang zu innovativen Medikamenten sowie die Stärkung der Versorgung mit Medikamenten aus der Grundversorgung.

Die Pharmaindustrie ist eine hoch innovative Branche, die viel in die Forschung und Entwicklung neuer Arzneien und Behandlungsmöglichkeiten investiert resp. innovative Firmen aufkauft, um Medikamente auf den Markt zu bringen. Sie ist damit ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Schweiz und ein wichtiger Akteur für die öffentliche Gesundheit.

Wir können immer mehr Krankheiten behandeln. Das verdanken wir ausgezeichneten Ärztinnen und Ärzten, neuen Medizinaltechniken und neuen, innovativen Medikamenten. All das kostet aber viel Geld. Schon heute machen Medikamente einen Viertel der Gesundheitskosten aus. Die Kosten dafür trägt die Bevölkerung mit den Krankenkassenprämien. Und diese steigen Jahr für Jahr. Sie gehören heute zu den grössten Sorgen der Schweizer Bevölkerung. Das müssen wir ernst nehmen.

Wir müssen daher Wege finden, um den Patientinnen und Patienten einen raschen Zugang zu innovativen, neuen Medikamenten und Behandlungen zu verschaffen und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Krankenversicherung bezahlbar bleibt. Dafür haben wir Lösungen entwickelt. So können beispielsweise Pharmaunternehmen seit Anfang Jahr ihre Gesuche für die Aufnahme in die Spezialitätenliste früher beim BAG einreichen («Early Access»). Das gilt insbesondere für lebenswichtige Arzneimittel und für Arzneimittel zur Behandlung seltener Krankheiten sowie für sehr komplexe Gesuche. Dadurch lassen sich bis zu drei Monate einsparen. So dass die Aufnahme in die Spezialitätenliste gleichzeitig mit der Marktzulassung erfolgen kann. Im Rahmen eines Pilotversuchs konnte das BAG zusammen mit Swissmedic und Roche für das Krebsmedikament Lunsumio so den Zugang zur Vergütung zeitgleich zur Marktzulassung ermöglichen. Ich lade sie dazu ein: nutzen Sie diese Möglichkeit!

So wichtig innovative Medikamente sind. Für mich als «Public Health»-Verantwortliche sind Medikamente der Grundversorgung ebenfalls sehr wichtig. Denn: Was nützen uns innovative Krebsmedikamente, wenn kein Fiebersirup für kranke Kinder zur Verfügung steht? Oder kein Impfstoff gegen Pneumokokken mehr erhältlich ist?

Leider fehlen zunehmend Medikamente der Grundversorgung. Schmerzmittel beispielsweise, Antibiotika oder Impfstoffe. Arzneimittel also, deren Patent meist abgelaufen ist, die an sich gar nicht besonders teuer wären, aber weltweit nur noch von Wenigen produziert werden.

Das bereitet mir Sorgen, weil es zu einem grossen «Public Health» Problem wird.

Für die Versorgung mit Arzneimitteln sind normalerweise die Kantone zusammen mit der Wirtschaft zuständig. Also auch Sie! Zur Überbrückung eines kurzfristigen Engpasses gibt es für lebensnotwendige Arzneimittel Pflichtlager des Bundes, die das Bundesamt für Wirtschaftliche Landesversorgung führt. Der Rückgriff auf diese Pflichtlager hat sich in den letzten Monaten gehäuft. Vor einem Jahr hat eine Taskforce des Bundes unter Mitwirkung des BAG daher zur Linderung des Problems verschiedene, rasch wirksame Massnahmen erarbeitet. Dazu gehört beispielsweise die Teilabgabe von Medikamenten oder eine einfachere Vergütung bei Importen. Beides ist seit letztem Frühling möglich.

Solche kurzfristigen Massnahmen und Pflichtlager sind gut! Sie lösen das Problem aber nicht nachhaltig. Denn die Ursachen des Problems liegen tiefer: Wichtige Produktionsschritte wurden sukzessive vom Westen in Niedriglohnländer verlagert, etwa nach Indien oder China. Und sie konzentrieren sich inzwischen auf wenige Anbieter. Gepaart mit «just-in-time» Produktion zum Vermeiden von teurer Lagerhaltung erhöht sich damit für uns das Risiko von Versorgungsengpässen. Um das zu ändern, braucht es Anpassungen bei den Produktionsstandorten sowie tragfähige, internationale Zusammenarbeitsverträge. Der Bundesrat wird im Sommer mit dem Bericht zur Versorgungssicherheit weitere Massnahmen vorstellen.

Meine Damen und Herren

Sie sehen: Das BAG hat verantwortungsvolle Aufgaben zu lösen, um die öffentliche Gesundheit zu stärken. Wir machen das gern – gemeinsam mit allen, die sich auch dafür einsetzen.

Ich danke Ihnen in diesem Sinne sehr für Ihr Interesse und Ihre Unterstützung und wünsche Ihnen allen alles Gute.    

Further information

Security in the supply of medicines

The supply of medicines in Switzerland can no longer be assured in all cases. The federal government is looking into additional measures and implementation proposals to assure a regular supply of medicinal products.

Last modification 23.01.2024

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