KVG-Änderung: Einheitliche Finanzierung der Leistungen

Die Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung werden heute je nach Bereich (ambulant, stationär, Pflege) unterschiedlich finanziert, was zu diversen Fehlanreizen führt. Das Parlament hat am 22. Dezember 2023 eine KVG-Änderung zur einheitlichen Finanzierung der Leistungen verabschiedet.

Ausgangslage

Finanzierungssysteme in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung

Die Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) werden heute je nach Bereich unterschiedlich finanziert. Die Kantone finanzieren mindestens 55 Prozent der Kosten der stationären Leistungen (mit Übernachtung im Spital), höchstens 45 Prozent werden mit Prämien finanziert. Ambulante Leistungen (ohne Übernachtung) werden vollständig durch Prämien finanziert. Für Pflegeleistungen leisten die OKP und die Pflegebedürftigen je einen Beitrag, die Kantone sind für die Restfinanzierung zuständig. Die heute je nach Bereich unterschiedliche Finanzierung der Leistungen führt zu Fehlanreizen. Die Versicherer haben weniger Anreize, die kostensparende Verlagerung von stationär zu ambulant zu fördern. Soweit die Verlagerung trotzdem erfolgt, steigt dadurch der Anteil der Prämienfinanzierung. Der Anteil der Steuerfinanzierung hat sich aus diesem Grund in den letzten Jahren laufend reduziert, die Prämien sind deswegen stärker angestiegen als die Gesamtkosten der KVG-Leistungen. Zudem kann die koordinierte Versorgung über die ganze Behandlungskette wegen der Brüche in der Finanzierung zwischen verschiedenen Sektoren nicht ihr ganzes Potenzial entfalten.

Entstehungsgeschichte der KVG-Änderung

Die KVG-Änderung geht zurück auf die parlamentarische Initiative 09.528 Humbel «Finanzierung der Gesundheitsleistungen aus einer Hand. Einführung des Monismus». Der Nationalrat verabschiedete dazu 2019 einen ersten Entwurf für eine einheitliche Finanzierung der ambulanten und stationären Leistungen ohne Pflegeleistungen. Der Bundesrat begrüsste dies in seiner Stellungnahme grundsätzlich, er war jedoch auch der Ansicht, dass eine einheitliche Finanzierung zusammen mit den Kantonen umgesetzt werden sollte und dass noch Anpassungen in deren Sinn notwendig seien, unter anderem ein Einbezug der Pflegeleistungen. Mit einem Bericht in Beantwortung zweier Postulate zeigte der Bundesrat auf, dass die Voraussetzungen für einen Einbezug der Pflegeleistungen (u. a. Kostentransparenz) innert fünf Jahren geschaffen werden können. Das Parlament beschloss diesen Einbezug und diverse weitere Ergänzungen. Die beiden Räte haben die Vorlage am 22. Dezember 2023 in der Schlussabstimmung angenommen.

Inhalt der Änderung

Ab 2028 sollen ambulante und stationäre Leistungen einheitlich finanziert werden, ab 2032 auch die Pflegeleistungen. Die Versicherung erstattet die Kosten der versicherten Leistungen, entweder den Leistungserbringern (tiers payant) oder den versicherten Personen (tiers garant). Die Kantone leisten einen Beitrag von 26,9 Prozent der Nettokosten (d. h. nach Abzug der Kostenbeteiligung) an die Versicherer. 73,1 Prozent der Nettokosten werden mit Prämien finanziert. Weil die Kantone neu auch ambulante Leistungen mitfinanzieren, erhalten sie diverse neue Steuerungsmöglichkeiten.

Organisation der Finanzflüsse

Die Kantonsbeiträge werden gestützt auf die erbrachten Leistungen berechnet, bei den Kantonen erhoben und auf die einzelnen Versicherer verteilt. Dies ist Aufgabe eines spezialisierten Ausschusses der gemeinsamen Einrichtung KVG der Versicherer. In diesem Ausschuss sind die Kantone ebenfalls vertreten, damit sie die Verteilung ihrer Steuermittel überprüfen können.

Einbezug der Pflegeleistungen

Ab 2032 werden die Pflegeleistungen ebenfalls einheitlich finanziert. Die Pflegebedürftigen leisten weiterhin einen Beitrag an die Kosten der Pflegeleistungen. Dessen Höhe wird wie heute vom Bundesrat festgelegt. Der Bundesrat muss den Beitrag bei der Umstellung der Finanzierung so festlegen, dass er nicht höher ist als zuvor, und darf ihn während mindestens vier Jahren nicht erhöhen. Pflegeleistungen werden neu über Tarife vergütet, die sich an den Kosten der effizienten Leistungserbringung orientieren. Damit dafür eine vergleichbare Datengrundlage besteht, ist neu auch für ambulant erbrachte Pflegeleistungen eine schweizweit einheitliche Kostenrechnung vorgesehen.

Tariforganisationen

In der Tariforganisation für stationäre Leistungen sind die Kantone bereits heute vertreten. Neu sind die Kantone auch in der Tariforganisation für ärztlich-ambulante Leistungen vertreten. In der Tariforganisation für Pflegeleistungen, die mit dieser KVG-Änderung neu geschaffen wird, sind die Leistungserbringer (inkl. selbständig tätige Pflegefachpersonen), Versicherer und Kantone vertreten. Bisher legten die Kantone ihre Restfinanzierung der Pflegeleistungen in eigener Kompetenz fest, ohne Beteiligung der Leistungserbringer.

Zulassung von Leistungserbringern im ambulanten Bereich

Die Kantone können bereits heute die Zulassung von ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten steuern. Neu können sie auch für alle übrigen ambulanten Leistungserbringer vorsehen, dass in einer bestimmten Kategorie von Leistungserbringern keine neuen Zulassungen möglich sind, wenn die Kostenzunahme oder das Kostenniveau in einem Kanton in dieser Kategorie überdurchschnittlich ist.

Datenzugang der Kantone

Die Kantone erhalten Daten der Versicherer für die Wahrnehmung aller Aufgaben, die das KVG den Kantonen überträgt. Die Kantone erhalten wie heute weiterhin die Originalrechnungen für stationäre Leistungen als Kopie. Bei diesen Rechnungen können sie auch prüfen, ob die formalen Voraussetzungen für die Kostenübernahme (z. B. Leistungsauftrag) erfüllt sind, und diese nötigenfalls verweigern. Die Prüfung der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit im Einzelfall bleibt hingegen wie heute eine Aufgabe der Versicherer.

Keine Änderungen bei Vertragsspitälern

Vertragsspitäler sind Spitäler, die nicht auf einer kantonalen Spitalliste aufgeführt sind. Die Versicherer können aber bereits heute Verträge mit diesen Spitälern abschliessen, mit denen ein Teil der Kosten trotzdem von der OKP übernommen wird. Der Anteil der Kosten, der über die Prämien der OKP finanziert wird, bleibt für diese Spitäler bei den heutigen 45 Prozent, statt wie bei den Listenspitälern auf 73,1 Prozent zu steigen. Der Rest muss von den versicherten Personen oder ihrer Zusatzversicherung bezahlt werden. Die Kantone leisten wie heute keinen Beitrag. Damit werden Mehrkosten für die Prämienzahlenden und eine Schwächung der kantonalen Spitalplanung vermieden.

Entlastung der Prämienzahlenden

Der Prozentsatz für den Kantonsbeitrag wurde so festgelegt, dass die Umstellung gegenüber der Periode 2016 bis 2019 kostenneutral ist. Im letzten Jahrzehnt hat sich der Anteil der Steuerfinanzierung durch die Verlagerung von stationären zu ambulanten Leistungen fortlaufend reduziert. Zwar werden im heutigen System die Kantone und Gemeinden durch die Restfinanzierung der Pflegeleistungen stärker belastet, diese Mehrbelastung ist aber deutlich kleiner als die Entlastung der Kantone durch die Verlagerung der Behandlungen in den ambulanten Bereich. Die Prämienzahlenden werden gegenüber dem bisherigen System entlastet, weil der Anteil der Steuerfinanzierung nicht mehr weiter sinkt.

Sparpotenzial

Vor allem durch die Stärkung der koordinierten Versorgung über die ganze Behandlungskette besteht ein Sparpotenzial zugunsten aller Finanzierungsträger, weil unnötige Behandlungen entfallen und insbesondere Spitalaufenthalte vermieden oder Pflegeheimeintritte verzögert werden können. Heute wird diese Versorgung von den Versicherern weniger stark gefördert, weil die Kosteneinsparungen aus Prämiensicht weniger attraktiv sind. Während die Kosten der Koordination vor allem im prämienfinanzierten ambulanten Bereich anfallen, ergeben sich Einsparungen gerade auch in den stark steuerfinanzierten Bereichen (Spitalaufenthalte, Pflegeleistungen). Das Sparpotenzial wird von einer Studie im Auftrag des BAG "Sparpotenzial einer einheitlichen Finanzierung" auf bis zu 440 Millionen Franken pro Jahr geschätzt.

Stand der Vorlage

Die KVG-Änderung untersteht dem fakultativen Referendum. Die Referendumsfrist läuft bis zum 18. April 2024.

Medien

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Letzte Änderung 08.02.2024

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