Die IGV (2005) regeln die zwischenstaatliche Zusammenarbeit zur Eindämmung von Ereignissen, welche eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellen (z.B. durch Infektionskrankheiten, biologische oder chemische Wirkstoffe oder ionisierende Strahlung).
Ein Hauptziel der IGV ist, die weltweite Verbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern, ohne den Personen- und Güterverkehr unnötig einzuschränken. Jeder Vertragsstaat muss in der Lage sein, die grenzüberschreitende Ausbreitung von Krankheiten zu verhüten und zu bekämpfen, seine Bevölkerung davor zu schützen und Gesundheitsschutzmassnahmen einzuleiten. Dabei ist es den einzelnen Ländern wie der Schweiz überlassen, wie sie dies in ihrem nationalen Kontext konkret umsetzen.
Anpassungen 2024
Die Covid-19-Pandemie hat deutlich gemacht, dass das Instrument mit punktuellen Anpassungen verbessert werden sollte. Diese betreffen unter anderem die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten und der Weltgesundheitsorganisation (WHO), damit die Staaten bei der Untersuchung neuer Krankheitsausbrüche durch die WHO besser unterstützt werden können.
Sie zielen auch darauf ab, die Verhütung, Überwachung und Vorbereitung zur Krisenreaktion auf allen Ebenen zu verstärken, zum Beispiel im Bereich der Labordiagnostik oder des Zugangs zu Gesundheitsleistungen, was der Bevökerung zugute kommt.
Diese Anpassungen wurden am 1. Juni 2024 von der Weltgesundheitsversammlung (WHA) verabschiedet. Der Bundesrat hat am 20. Juni 2025 entschieden, sie anzunehmen.
Gleichzeitig hat der Bundesrat beschlossen, zum Umgang mit Fehl- und Desinformation in der Risikokommunikation einen Vorbehalt anzubringen. Die Schweiz wird eine objektive, wissenschaftliche Risikokommunikation weiterhin gewährleisten und die in der Bundesverfassung garantierten Grundrechte wie die Meinungsäusserungs-, die Medien- und die Wissenschaftsfreiheit wahren.
Zudem hat der Bundesrat entschieden, dass er eine Erklärung abgeben wird, wonach die Schweiz die Anpassungen bezüglich der Kapazitäten für den Zugang zu Gesundheitsdiensten gemäss der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen umsetzen wird.
Er wird dies zusammen mit dem Vorbehalt der WHO mitteilen. Die Schweiz wird auch in Zukunft souverän über die eigene Gesundheitspolitik sowie über allfällige Massnahmen im Falle einer gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite sowie im Pandemiefall entscheiden.
Rückblick auf den Prozess der Anpassungen
Die IGV sind ein rechtsverbindliches Instrument der WHO, das in seiner ursprünglichen Fassung seit den 1950er-Jahren existiert. Es wurde mehrfach angepasst und 2005 grundlegend revidiert und am 15. Juni 2007 auf internationaler Ebene in Kraft gesetzt. Seit 2016 berücksichtigt das Epidemiengesetz die IGV (2005) und regelt deren Umsetzung in der Schweiz.
Am 1. Juni 2024 verabschiedete die Weltgesundheitsversammlung (WHA) die Anpassungen der IGV (2005) im Konsens. Die Schweiz beteiligte sich aktiv an den entsprechenden Verhandlungen und brachte ihre Interessen gezielt ein. Die WHO notifizierte die Anpassungen den Vertragsstaaten am 19. September 2024.
Der Bundesrat führte vom 13. November 2024 bis zum 27. Februar 2025 eine Vernehmlassung zu den Anpassungen durch. Parallel dazu wurden auch die zuständigen parlamentarischen Kommissionen konsultiert. Fast alle Kantone, die Mehrheit der politischen Parteien und interessierten Kreise sowie die parlamentarischen Kommissionen unterstützen die Anpassungen.
Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Vernehmlassung sowie der im erläuternden Bericht enthaltenen Folgenabschätzungen hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 20. Juni 2025 entschieden, die Anpassungen der IGV anzunehmen. Zudem hat er den entsprechenden Vernehmlassungsbericht zur Kenntnis genommen. Dieser ist auf der Website des Bundeskanzlei veröffentlicht.
Die Anpassungen sind am 19. September 2025 in Kraft getreten. Sie werden auch in den drei Amtssprachen in der Systematischen Sammlung des Bundesrechts sowie auf der Plattform Fedlex veröffentlicht. Zurzeit sind die Anpassungen in den sechs Amtssprachen der UNO sowie in den Übersetzungen in Deutsch und Italienisch unter dem folgenden Link verfügbar: Vorläufige Übersetzung der Anpassungen an den Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) (PDF)
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Die Anpassungen zielen darauf ab, die IGV (2005) auf der Grundlage der Erkenntnisse aus der COVID-19-Pandemie zu stärken. So können Vertragsstaaten wie die Schweiz besser auf eine künftige internationale Gesundheitsnotlage reagieren. Die Anpassungen stärken sowohl die Prävention und die Überwachung von Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit als auch die Vorbereitung der Reaktion darauf. Gleichzeitig werden der Informationsaustausch mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Zusammenarbeit mit anderen Staaten verbessert.
Nein. Durch die Anpassungen der IGV gibt es keine Kompetenzausweitung der WHO, die die Souveränität der Vertragsstaaten einschränken würde. Die Schweiz wird auch in Zukunft unabhängig über ihre eigene Gesundheitspolitik entscheiden. Die IGV garantieren in Artikel 3 ausdrücklich das souveräne Recht der Vertragsstaaten, Gesetze zu erlassen, um ihre Gesundheitspolitik umzusetzen.
Die WHO kann lediglich Empfehlungen an ihre Mitgliedstaaten aussprechen, wie sie dies während der COVID-19-Pandemie getan hat. Diese Empfehlungen sind jedoch rechtlich nicht bindend. Die Schweiz kann frei entscheiden, ob sie die Empfehlungen umsetzt oder nicht.
Der Bundesrat hat vom 13. November 2024 bis 27. Februar 2025 eine Vernehmlassung zu den Anpassungen der IGV durchgeführt. Dabei hat er die Kantone, politische Parteien, gesamtschweizerische Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete, gesamtschweizerische Dachverbände der Wirtschaft und weitere interessierte Kreise konsultiert und so auch die Öffentlichkeit umfassend informiert. Alle Stellungnahmen, die innerhalb der Vernehmlassungsfrist eingegangen sind, sind auf Fedlex publiziert. Dort ist auch der Ergebnisbericht der Konsultation zugänglich.
In der Schweiz gibt es keine spezifische gesetzliche Grundlage für den Umgang mit Fehl- und Desinformation, wie er in den Anpassungen der IGV beschrieben wird. Der Bundesrat hat deshalb zum Umgang mit Fehl- und Desinformation in der Risikokommunikation einen Vorbehalt gegenüber der WHO angebracht.
In der Schweiz informiert der Bundesrat auf Basis von Artikel 9 des Epidemiengesetzes die Öffentlichkeit sowie Behörden und Fachpersonen zu übertragbaren Krankheiten und Möglichkeiten der Prävention. Er publiziert zum Beispiel praktische Informationen zu Fallzahlen oder Daten zur regionalen Verbreitung von Krankheiten. Er bekräftigt damit, dass die Grundrechte wie die Meinungsäusserungs-, die Medien- und die Wissenschaftsfreiheit weiterhin gewahrt bleiben. Die Schweiz gewährleistet auch in Zukunft eine objektive, wissenschaftliche Risikokommunikation.
Nein. Aus den neuen Bestimmungen ergeben sich keine neuen finanziellen Verpflichtungen für die Schweiz. Zwar wird neu ein «Koordinierender Finanzierungsmechanismus» etabliert, der das Ziel hat, die Kohärenz und Koordination bestehender Finanzierungsinstrumente zu fördern. Durch die Anpassungen wird aber kein neuer Fonds geschaffen – dies war ein wichtiges Anliegen der Schweiz.
Nein. Die Schweiz verfügt bereits heute über die nötigen Kapazitäten zur Prävention, Vorbereitung und Reaktion auf gesundheitliche Notlagen, wie sie in den angepassten IGV definiert sind. Es sind daher keine Gesetzesänderungen oder zusätzlichen Ressourcen notwendig, um die Anpassungen der IGV in der Schweiz umzusetzen.
Die Schweiz wird hingegen vom Aufbau der Kapazitäten in den anderen Vertragsstaaten profitieren. Es ist im Interesse der Schweiz, dass die Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten und der WHO gestärkt wird. Indem der Informationsfluss zwischen den Vertragsstaaten verbessert wird, kann eine frühzeitige Warnung vor Bedrohungen, die auch unser Land betreffen könnten, gewährleistet werden.
Eine Impfpflicht ist im Zusammenhang mit den Anpassungen der IGV kein Thema. Die WHO kann schon heute, wie sie dies in der Covid-19-Pandemie getan hat, Empfehlungen an ihre Mitgliedstaaten aussprechen, auch zu Massnahmen zur Bekämpfung einer Pandemie. Diese sind jedoch nicht rechtsverbindlich.
Im Falle einer Pandemie hat die WHO die Möglichkeit, eine«gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite» (PHEIC) auszurufen. Dies erfolgt gemäss den Kritierien, die in den IGV festgehalten sind (Artikel 12). Eine solche PHEIC stellt aber nicht zwangsläufig eine pandemische Notlage dar. Ein Beispiel hierfür ist die Zikavirus-Epidemie 2015-2016, die von der WHO als PHEIC deklariert wurde, bei der in der Schweiz aber keine besondere Lage ausgerufen wurde.
Gemäss dem geltenden Epidemiengesetz hat die Feststellung einer solchen Notlage durch die WHO nicht automatisch zur Folge, dass in der Schweiz eine besondere Lage gilt. Bevor eine solche besondere Lage in der Schweiz ausgerufen wird, nimmt der Bundesrat immer eine gesamtheitliche Beurteilung der Gefährdungssituation für die Schweiz (gemäss Artikel 6 EpG) vor.
Nein, es handelt sich um zwei unterschiedliche Prozesse. Die Verhandlungen zu den Anpassungen der IGV sind seit Mai 2024 abgeschlossen und der Bundesrat hat diese Anpassungen im Juni 2025 angenommen. Dies betrifft technische Anpassungen an den IGV. Die Schweiz wendet diese bereits seit den 50er-Jahren an, um die Verbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern.
Im Gegensatz dazu handelt es sich beim WHO-Pandemieabkommen um eine neue Vereinbarung. Sie soll die internationale Zusammenarbeit bei der Vorbereitung und Bewältigung einer möglichen Pandemie stärken. Der Text des Pandemieabkommens wurde an der 78. Weltgesundheitsversammlung im Mai 2025 verabschiedet. Das Gesamtabkommen ist damit aber noch nicht abgeschlossen: Ein ergänzender Anhang zum Zugangs- und Vorteilsausgleich bei Krankheitserregern (Pathogen Access and Benefit Sharing, PABS) wird noch ausgearbeitet. Es ist dafür mit einem Zeithorizont von ein bis zwei Jahren zu rechnen. Anschliessend wird der Anhang auch in der Schweiz geprüft und behandelt werden müssen.