Die Initiative verlangt ganz allgemein, dass für staatliche Eingriffe in die körperliche und geistige Unversehrtheit die Zustimmung der betroffenen Person vorliegen muss. Die Initiative wurde am 16. Dezember 2021 eingereicht und kommt am 9. Juni 2024 zur Abstimmung. Bundesrat und Parlament empfehlen die Ablehnung der Initiative. Die körperliche und geistige Unversehrtheit ist schon heute als Grundrecht in der Verfassung verankert. Zudem ist unklar, welche konkreten Folgen eine Annahme der Initiative hätte – etwa für die Arbeit von Polizei und Justiz.
Abstimmungsresultate vom 9. Juni 2024
Die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» wurde am 9. Juni 2024 an der Urne mit 73.73 Prozent abgelehnt.
Im Frühling 2020 erreichte die Corona-Pandemie die Schweiz. Der Bundesrat ergriff teils einschneidende Massnahmen, um die Bevölkerung vor dem Virus zu schützen und eine Überlastung des Gesundheitswesens, insbesondere der Spitäler, zu verhindern. Gleichzeitig begann die Entwicklung von Impfstoffen gegen das neuartige Virus. Weite Teile der Bevölkerung setzten grosse Hoffnungen in diese Impfstoffe. Andere standen der Impfung ablehnend gegenüber.
Was will die Initiative?
In diesem politischen und gesellschaftlichen Umfeld wurde im Herbst 2020 die Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» lanciert. Sie fordert, dass für Eingriffe in die körperliche oder geistige Unversehrtheit die Zustimmung der betroffenen Person vorliegen muss. Gemäss Initiative darf zudem eine Person, die die Zustimmung verweigert, weder bestraft noch benachteiligt werden.
Der Initiativtext spricht nicht von «Impfungen», sondern allgemein von «Eingriffen». Der Text umfasst damit grundsätzlich jedes Handeln von Bund, Kantonen und Gemeinden, das auf den Körper einwirkt. Dazu gehören zum Beispiel die Polizeiarbeit, der Strafvollzug oder das Asylwesen.
Körperliche Unversehrtheit ist bereits verankert
Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab. Das Kernanliegen der Initiative, die körperliche Unversehrtheit, ist bereits als Grundrecht in der Verfassung verankert. Schon heute darf niemand ohne Zustimmung geimpft werden. Zudem sind die Folgen der Initiative, etwa für die Arbeit von Polizei und Justiz, unklar.
Fragen und Antworten
Das Recht auf körperliche Unversehrtheit – auch als körperliche Integrität oder physische Integrität bezeichnet – schützt den menschlichen Körper vor Einwirkungen jeglicher Art durch den Staat. Es ist dabei irrelevant, ob die Einwirkung schädigend oder heilend, schmerzhaft oder schmerzlos, dauerhaft oder vorübergehend, folgenreich oder folgenlos ist.
Das Recht auf geistige Unversehrtheit – auch als geistige Integrität oder psychische Integrität bezeichnet – hängt eng mit der körperlichen Unversehrtheit zusammen. Es schützt den Zustand der Willens- und Entscheidungsfreiheit des Individuums.
Das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit ist in der Bundesverfassung verankert.
Die körperliche und geistige Unversehrtheit ist schon heute als Grundrecht in der Bundesverfassung festgeschrieben (Artikel 10, Absatz 2). Dieses Grundrecht schützt den menschlichen Körper gegen jede Einwirkung durch den Staat. Eine solche Einwirkung ist grundsätzlich nur zulässig, wenn die betroffene Person zustimmt.
Grundrechte gelten nicht absolut. Der Staat kann sie unter bestimmten Bedingungen einschränken.
Das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit gilt, wie auch die übrigen verfassungsmässigen Freiheitsrechte, nicht absolut.
Die Hürden für die Einschränkung eines Grundrechts sind indes hoch:
- Es braucht eine rechtliche Grundlage.
- Es muss dafür ein überwiegendes öffentliches Interesse bestehen, oder die Grundrechte anderer Personen müssen gefährdet sein.
- Die Einschränkung muss verhältnismässig sein.
Im medizinischen Kontext ist die Bedeutung der persönlichen Freiheit und insbesondere der körperlichen Unversehrtheit sehr zentral. Jeder medizinische Eingriff setzt grundsätzlich eine rechtsgültige Einwilligung der betroffenen Person voraus. Liegt diese nicht vor, so handelt es sich um eine Beeinträchtigung der körperlichen Integrität.
Eine solche Einwilligung ist auch für eine Impfung notwendig.
Der Staat muss das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit auch beim Impfen respektieren. Das Epidemiengesetz sieht für gewisse Ausnahmesituationen aber die Möglichkeit eines befristeten Impfobligatoriums für bestimmte Personengruppen vor. Dies, wenn die Bevölkerung nicht mit anderen, milderen Massnahmen geschützt werden kann. So könnte etwa in sensiblen Bereichen von Spitälern ein Impfobligatorium für das Personal ausgesprochen werden. Wer eine Impfung ablehnt, muss unter Umständen in eine andere Abteilung wechseln.
Auch bei einem Impfobligatorium braucht es für die Impfung die Einwilligung der betroffenen Person. Eine Impfung ohne Zustimmung ist ausgeschlossen.
In Ausnahmesituationen können vorübergehende Einschränkungen für ungeimpfte Personen dazu beitragen, das Gesundheitswesen vor Überlastung zu schützen und strengere Massnahmen für alle zu verhindern. Wäre zum Beispiel eine Unterscheidung nach Impf- oder Immunstatus nicht mehr erlaubt, könnten weitergehende Eindämmungsmassnahmen wie zum Beispiel Schliessungen erforderlich werden oder länger erforderlich bleiben.
So beispielsweise in der letzten Phase der Corona-Pandemie: Ungeimpften blieb der Zugang zu Restaurants und anderen Einrichtungen vorübergehend verwehrt, um die Betriebe nicht weiterhin für alle schliessen zu müssen. Ziel dieser Massnahmen war es, weitergehende Einschränkungen für die gesamte Bevölkerung und für die Betriebe zu vermeiden.
Jede Massnahme muss dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Prinzip der Verhältnismässigkeit genügen. Die Einschränkungen aufgrund des Impf- oder Immunstatus müssen stets so ausgestaltet sein, dass der Zugang zu staatlichen Leistungen sowie zur Grundversorgung grundsätzlich möglich bleibt, so etwa unter Einbezug des Nachweises eines aktuellen Infektionsstatus durch einen Test.
Thematisch zielt die Initiative gemäss den Initiantinnen und Initianten auf Impfungen ab, namentlich gegen Covid-19. Der Initiativtext ist hingegen sehr weit gefasst. Er spricht nicht von «Impfungen», sondern allgemein von «Eingriffen in die körperliche und geistige Unversehrtheit». Er erfasst damit grundsätzlich jedes Handeln von Bund, Kantonen und Gemeinden, das auf den Körper einwirkt, etwa die Polizeiarbeit und den Strafvollzug. Damit geht der Initiativtext weit über die Themen Impfen und Umgang mit dem Impfstatus hinaus, welche die Initiantinnen und Initianten zu erfassen beabsichtigen.
So ist unklar, unter welchen Bedingungen notwendige Eingriffe durch den Staat in die körperliche Unversehrtheit eines Menschen noch möglich wären. Je nach Umsetzung und Rechtsprechung könnte die Erfüllung zentraler Aufgaben durch Bund, Kantone und Gemeinden erschwert werden.
Letzte Änderung 10.06.2024
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