Die von der Mitte-Partei im Jahr 2020 eingereichte Volksinitiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen» verlangt die Einführung einer Kostenbremse in der obligatorischen Krankenpflege-Versicherung (OKP). Parlament und Bundesrat anerkennen die Wichtigkeit der Kostendämpfung, lehnen die Initiative aber ab, weil die ausschliessliche Koppelung des Bremsmechanismus an die Wirtschafts- und Lohnentwicklung zu kurz greift. Sie haben einen indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe erarbeitet.
Volksinitiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen» («Kostenbremse-Initiative»)
Abstimmungsresultate vom 9. Juni 2024
Am 9. Juni 2024 haben Volk und Stände die Volksinitiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen (Kostenbremse-Initiative)» mit 62.77 Prozent abgelehnt.
Damit setzt der Bundesrat den indirekten Gegenvorschlag in Kraft, sofern dagegen nicht innerhalb von 100 Tagen das Referendum ergriffen wird und zustande kommt.
Der Gegenvorschlag verlangt vom Bundesrat, Kostenziele für jeweils vier Jahre festzulegen.
Der Bundesrat wird nun auf Basis des Gegenvorschlags die Einzelheiten regeln, unter anderem die Frage, wie die Höhe der einzelnen Kostenziele festgelegt werden soll.
Der Bundesrat wird voraussichtlich Ende Jahr einen entsprechenden Verordnungsentwurf in die Vernehmlassung schicken.
Kostenentwicklung
In den letzten zehn Jahren sind die Kosten in der obligatorischen Krankenversicherung um etwa 31 Prozent gewachsen, während die Löhne im gleichen Zeitraum nur um rund 6 Prozent gestiegen sind.
Der Anstieg der Gesundheitskosten hat mehrere Gründe:
- Erstens nimmt die Zahl der älteren Menschen zu und damit auch die Zahl chronisch kranker Personen, die mehr medizinische Behandlungen brauchen. Im Alter fallen deshalb vermehrt Gesundheitskosten an. Bis 2050 dürfte sich die Zahl der Menschen über 80 in der Schweiz mehr als verdoppeln.
- Zweitens können medizinische und technologische Fortschritte die Kosten erhöhen, weil es mehr und bessere Therapiemöglichkeiten gibt und diese auch mehr genutzt werden.
- Drittens bestehen im Gesundheitswesen Doppelspurigkeiten, Fehlanreize und ineffiziente Strukturen, die dazu führen, dass viele Behandlungen durchgeführt werden, die medizinisch nicht begründbar sind. Schätzungen gehen hier von einem Einsparpotenzial von mehreren Milliarden Franken aus.
Was verlangt die Initiative?
Die Initiative verpflichtet den Bund, in der obligatorischen Krankenversicherung eine Kostenbremse einzuführen: Er muss zusammen mit den Kantonen, den Krankenkassen und den Erbringern von medizinischen Leistungen dafür sorgen, dass die Kosten nicht viel stärker steigen als die durchschnittlichen Löhne und die Gesamtwirtschaft wachsen.
Beträgt das Kostenwachstum zwei Jahre nach Annahme der Initiative mehr als 20 Prozent des Wachstums der Löhne und haben die Tarifpartner bis zu diesem Zeitpunkt keine Massnahmen ergriffen, müssen Bund und Kantone kostendämpfende Massnahmen beschliessen. Die Massnahmen müssen im folgenden Jahr wirken. Wie stark die Kosten längerfristig steigen dürfen, muss das Parlament im Gesetz festlegen.
Die genaue Ausgestaltung der Kostenbremse und der Massnahmen, mit denen Bund und Kantone die Kosten dämpfen sollen, wird im Initiativtext nicht näher ausgeführt. Das Parlament muss dies im Gesetz regeln.
Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament
Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab. Sie haben aber einen indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe erarbeitet:
Fragen und Antworten
Die Initiative verpflichtet den Bund, in der obligatorischen Krankenversicherung eine Kostenbremse einzuführen: Er muss zusammen mit den Kantonen, den Krankenkassen und den Erbringern von medizinischen Leistungen dafür sorgen, dass die Kosten nicht viel stärker wachsen als die durchschnittlichen Löhne und die Gesamtwirtschaft.
Liegt das Kostenwachstum zwei Jahre nach Annahme der Initiative mehr als 20 Prozent über dem Lohnwachstum und haben die Tarifpartner bis zu diesem Zeitpunkt keine Massnahmen dagegen ergriffen, müssen Bund und Kantone kostendämpfende Massnahmen beschliessen, die im folgenden Jahr wirksam werden.
Der Anstieg der Gesundheitskosten hat mehrere Gründe:
- Erstens nimmt die Zahl der älteren Menschen zu und damit auch die Zahl chronisch kranker Personen, die mehr medizinische Behandlungen brauchen. Im Alter fallen deshalb vermehrt Gesundheitskosten an. Bis 2050 dürfte sich die Zahl der über 80-jährigen Menschen in der Schweiz mehr als verdoppeln.
- Zweitens können medizinische und technologische Fortschritte die Kosten erhöhen, weil es mehr und bessere Therapiemöglichkeiten gibt und diese auch mehr genutzt werden.
- Drittens bestehen im Gesundheitswesen Doppelspurigkeiten, Fehlanreize und ineffiziente Strukturen, die dazu führen, dass viele Behandlungen durchgeführt werden, die medizinisch nicht begründbar sind. Schätzungen gehen hier von einem Einsparpotenzial von mehreren Milliarden Franken aus.
Von 2012 bis 2022 sind die Kosten der obligatorischen Krankenversicherung pro Kopf um 31 Prozent, die Gesamtwirtschaft um rund 10 Prozent und die Nominallöhne um 6 Prozent gewachsen.
Seit der Einführung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung im Jahr 1996 sind die Bruttokosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (finanziert durch die Krankenversicherungsprämien und die individuelle Kostenbeteiligung) um 302 Prozent gestiegen.
Parlament und Bundesrat teilen grundsätzlich das Ziel der Volksinitiative, wonach die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen gebremst werden soll. Da der vorgeschlagene Mechanismus jedoch zu starr ist, empfehlen sie die Ablehnung der Initiative, die Faktoren wie die Alterung der Bevölkerung oder medizinisch-technische Fortschritte nicht berücksichtigt. Parlament und Bundesrat haben daher einen indirekten Gegenvorschlag ausgearbeitet.
Der Gegenvorschlag sieht vor, dass der Bundesrat in Absprache mit den Akteuren des Gesundheitswesens alle vier Jahre festlegt, wie stark die Kosten in der obligatorischen Krankenversicherung höchstens steigen dürfen.
Auch die Kantone können eigene Kosten- und Qualitätsziele festlegen, wobei sie die Vorgaben des Bundesrates berücksichtigen und die Versicherer, Versicherten und Leistungserbringer vorgängig anhören.
Eine Kommission für das Kosten- und Qualitätsmonitoring überwacht die Entwicklung der Kosten und gibt zuhanden des Bundes und der Tarifpartner Empfehlungen zu geeigneten Kostendämpfungsmassnahmen ab.
Im Gegensatz zur Initiative berücksichtigt der indirekte Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament den Umstand, dass es nachvollziehbare Gründe für den Kostenanstieg gibt, wie die Alterung der Bevölkerung oder den medizinischen Fortschritt.
Ausserdem würde mit dem Gegenvorschlag die nötige Transparenz bei den Gesundheitskosten geschaffen: Alle Akteure müssten aufzeigen, welche Anteile des Kostenwachstums gerechtfertigt sind.
Die Tarifpartner entscheiden gemeinsam über den Preis, zu dem eine medizinische Leistung abgerechnet werden kann. Diese Partner sind die Krankenkassenverbände und die Verbände anderer Leistungserbringer (z. B. Ärztinnen/Ärzte, Spitäler, Apotheker, Laboratorien, Pflegeheime).
Die Tarifverträge müssen von den Behörden genehmigt werden. Die Initiative verlangt von den Tarifpartnern, Massnahmen zur Kostendämpfung zu ergreifen.
Die genaue Ausgestaltung der Kostenbremse und der Massnahmen, mit denen Bund und Kantone die Kosten dämpfen sollen, wird im Initiativtext nicht näher ausgeführt. Das Parlament muss dies im Gesetz regeln.
Der Gegenvorschlag tritt in Kraft, wenn die Initiative abgelehnt wird und kein Referendum zustande kommt.
Die steigenden Gesundheitskosten werden von der schweizerischen Bevölkerung immer wieder als eine der Hauptsorgen genannt. Aufgrund verschiedener Faktoren werden die Kosten auch in Zukunft weiterhin steigen. Es gilt jedoch den medizinisch nicht gerechtfertigten Mengenanstieg zu minimieren.
Die OKP ist zudem der einzige grosse Bereich der sozialen Sicherheit in der Schweiz, der über keine Ausgabensteuerung verfügt. Neben der Schuldenbremse beim Bund und in einigen Kantonen besteht in der Arbeitslosenversicherung sowie bei der AHV und IV ein Interventionsmechanismus.
Zum einen besteht heute zu wenig Transparenz darüber, welcher Teil der Kostenzunahme medizinisch gerechtfertigt ist und welcher nicht. Mit der Festlegung von Kostenzielen muss diese Diskussion geführt werden, was die Transparenz erhöht und die Tarifpartnerschaft stärkt.
Zum andern wird das politische Bewusstsein dafür geschärft, dass Entscheide der Akteure auch Konsequenzen für die Prämienentwicklung haben. Dadurch steigt der Druck auf die Akteure, etwa die Tarifpartner, sich auf Lösungen zu einigen, die dazu beitragen, die medizinisch unbegründete Mengenausweitung zu reduzieren.
Die Kostenziele helfen die vorhandenen Ineffizienzen im Gesundheitswesen abzubauen. Eine im Auftrag des BAG erstellte Studie zeigt ein Effizienzpotenzial im schweizerischen Gesundheitswesen von mehreren Milliarden Franken pro Jahr.
Es kann also von substanziellen Einsparungen ausgegangen werden, wenn Überschreitungen von Kostenzielen den Anstoss geben, effizienzstärkende Massnahmen umzusetzen.
Letzte Änderung 28.11.2024
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