Gilt man nach dem Tod grundsätzlich als Spenderin oder Spender von Organen und Geweben oder braucht es dazu eine Zustimmung? Unterschiede zwischen der Widerspruchslösung und der Zustimmungslösung und welche Rolle die Angehörigen haben.
Am 15. Mai. 2022 hat das Schweizer Volk entschieden, in der Schweiz die erweiterte Widerspruchslösung einzuführen. Die neue Regelung wird frühestens im Jahr 2026 in Kraft treten. Bis dahin gilt weiterhin die erweiterte Zustimmungslösung (weitere Informationen zur Regelung in der Schweiz)
Zwei Modelle der Willensäusserung
Die Zustimmungslösung – aktives Einverständnis der betroffenen Person oder der Angehörigen
Bei der Zustimmungslösung dürfen einer verstorbenen Person nur dann Organe, Gewebe oder Zellen entnommen werden, wenn explizit das Einverständnis dazu gegeben wurde:
- Nach der engen Zustimmungslösung ist die Entnahme von Organen, Geweben und Zellen nur dann zulässig, wenn die verstorbene Person dieser zu Lebzeiten zugestimmt hat. Liegt keine Zustimmung zu einer Entnahme vor, so wird dies wie eine Ablehnung gewertet. Ohne Zustimmung der spendenden Person ist somit eine Entnahme unzulässig.
- Nach der erweiterten Zustimmungslösung wird eine fehlenden Erklärung der verstorbenen Person weder als Ablehnung noch als Zustimmung gewertet, sondern lediglich als Nichterklärung. Deshalb werden in diesem Fall die nächsten Angehörigen angefragt. Diese müssen den mutmasslichen Willen der verstorbenen Person berücksichtigen. Wenn die nächsten Angehörigen einer Entnahme zustimmen, so ist diese zulässig. Der Wille der verstorbenen Person hat aber – falls er vorliegt – in jedem Fall Vorrang gegenüber demjenigen der nächsten Angehörigen.
Die Widerspruchslösung – nur ein expliziter Widerspruch verhindert eine Entnahme
Bei der Widerspruchslösung wird ein Schweigen als Zustimmung gewertet. Man unterscheidet zwei Varianten:
- Nach der engen Widerspruchslösung dürfen Organe, Gewebe oder Zellen einer verstorbenen Person entnommen werden, wenn sich diese zu Lebzeiten nicht gegen einen solchen Eingriff ausgesprochen hat. Das Wesensmerkmal dieses Modells liegt somit darin, dass das Fehlen eines Widerspruchs wie eine Einwilligung in eine Organentnahme behandelt wird.
- Von der erweiterten Widerspruchslösung spricht man, wenn auch den nächsten Angehörigen ein Widerspruchsrecht eingeräumt wird. Die Angehörigen müssen den mutmasslichen Willen der verstorbenen Person berücksichtigen.
Dokumente
Bericht in Erfüllung der Postulate Gutzwiller (10.3703), Amherd (10.3701) und Favre (10.3711) (PDF, 4 MB, 08.03.2013)Prüfung von Massnahmen zur Erhöhung der Anzahl verfügbarer Organe zu Transplantationszwecken in der Schweiz
Ethische Erwägungen der NEK zur Widerspruchslösung (PDF, 210 kB, 25.10.2012)Stellungnahme Nr. 19/2012
Letzte Änderung 07.12.2023
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