Die Schweiz hat ihr Medizinprodukterecht umfassend und in enger Anlehnung an die EU-Verordnungen für Medizinprodukte (MDR und IVDR) überarbeitet. Die Sicherheit und Qualität der Medizinprodukte werden dadurch erhöht.
Medizinprodukte in der Schweiz
Medizinprodukte sind in der Schweiz durch folgende Gesetze und Verordnungen geregelt:
- das Heilmittelgesetz (HMG, SR 812.21),
- die Medizinprodukteverordnung (MepV, SR 812.213),
- die Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IvDV, SR 812.219) sowie
- das Humanforschungsgesetz (HFG, SR 813.30) und
- die Verordnung über klinische Versuche mit Medizinprodukten (KlinV-Mep, SR 810.306).
Im Rahmen des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA, SR 0.946.526.81) sind diese Rechtsvorschriften mit denjenigen der Europäischen Union (EU) angeglichen.
Verschärfung der Regulierung
In den letzten Jahren hat die EU die Anforderungen an Medizinprodukte verschärft, um die Qualität und Sicherheit dieser Produkte zu verbessern. Die EU-Verordnungen über Medizinprodukte (MDR) und über In-vitro-Diagnostika (IVDR) sind am 26. Mai 2017 in Kraft getreten und sind seit dem 26. Mai 2021 bzw. 26. Mai 2022 voll anwendbar.
Die Schweiz hat ihre Gesetzgebung in gleicher Weise angepasst, um sie auf diejenige der EU abzustimmen. Die Bestimmungen der MDR wurden in das HMG, das HFG, die MepV und die neue KlinV-Mep übernommen. Die Verordnungen sind seit dem 26. Mai 2021 in Kraft. Die Bestimmungen der IVDR wurden in das HMG, das HFG, die neue IvDV und die KlinV-Mep überführt, die seit dem 26. Mai 2022 in Kraft sind.
Hängige Aktualisierung des MRA
Mit dem Inkrafttreten der MDR hätte das Kapitel 4 (Medizinprodukte) des MRA aktualisiert werden müssen. Aufgrund fehlender Fortschritte in institutionellen Fragen zwischen der Schweiz und der EU, hat die Europäische Kommission die Aktualisierung dieses Kapitels bislang abgelehnt. Die Schweiz wird daher von der Europäischen Kommission seit Mai 2021 im Bereich der Medizinprodukte und seit Mai 2022 auf dem Gebiet der In-vitro-Diagnostika (Geltungsbeginn der MDR bzw. IVDR) als Drittstaat betrachtet. Dadurch fielen wesentliche Handelserleichterungen zwischen der Schweiz und der EU weg, wie zum Beispiel die gegenseitige Möglichkeit für europäische und schweizerische Hersteller, keinen Bevollmächtigten auf dem Gebiet der anderen Vertragspartei zu benennen. Zeitgleich hat die EU die Schweiz von der gemeinsamen Marktüberwachung ausgeschlossen. Der Schweizer Marktüberwachungsbehörde Swissmedic wurde der Zugriff auf die Europäische Datenbank für Medizinprodukte entzogen.
Auffangmassnahmen des Bundesrates
Um die Auswirkungen der fehlenden Aktualisierung des MRA zu mildern, verabschiedete der Bundesrat Auffangmassnahmen. Diese gewährleisten die Versorgung der Schweiz mit sicheren Medizinprodukten und stellen die Marktüberwachung sicher. Dazu gehören zum Beispiel:
- die einseitige Anerkennung von Medizinprodukten mit einer EU-Konformitätsbewertung (CE-Kennzeichnung),
- die Registrierungspflicht für Wirtschaftsakteure bei der Swissmedic,
- die Meldung von schwerwiegenden Vorkommnissen bei der Swissmedic.
Weitere Informationen zu den Pflichten von Wirtschaftakteuren in der Schweiz finden Sie auf der Webseite von Swissmedic: Medizinprodukte (swissmedic.ch).
Versorgungssicherheit
Für die neue Medizinprodukteverordnung (MDR und MepV) galt anfänglich eine Übergangsfrist bis zum 26. Mai 2024. Die Kapazität der Stellen, die in der EU für die Konformitätsbewertung von Medizinprodukten zuständig sind, reicht jedoch nicht aus, um alle Produkte bis zu diesem Datum zu zertifizieren. Deshalb verabschiedeten das Europäische Parlament und der Rat der EU am 15. März 2023 die Verordnung (EU) 2023/607, mit der die Übergangsfristen für diese neue Regelung unter bestimmten Bedingungen verlängert wurden.
Um die Versorgungssicherheit bei Medizinprodukten in der Schweiz aufrechtzuerhalten hat der Bundesrat beschlossen, die Schweizer Regelung auf diejenige der EU abzustimmen. Dazu hat er die erforderlichen Änderungen in der MepV und der IvDV verabschiedet, die am 1. November 2023 in Kraft treten. Die Übergangsfrist wird in der MepV für Produkte mit hohen Risiken bis zum 31. Dezember 2027 und für Produkte mit mittleren oder tiefen Risiken bis zum 31. Dezember 2028 verlängert. Diese Verlängerung ist an bestimmten Bedingungen geknüpft, um zu gewährleisten, dass nur sichere Produkte von der verlängerten Frist profitieren.
Zudem ist die Abverkaufsfrist («sell-off»), die ursprünglich auf ein Jahr nach Ablauf der Übergangszeit festgelegt wurde, in beiden Verordnungen aufgehoben. Dadurch wird die unnötige Entsorgung von sicheren, noch in der Lieferkette befindlichen Medizinprodukten verhindert.
Am 13. Juni 2024 verabschiedete die EU die Verordnung (EU) 2024/1860, um unter anderem einem Risiko von Versorgungsengpässen bei In-vitro-Diagnostika (IVD) vorzubeugen. Durch eine Anpassung der Übergangsregelung räumt diese Verordnung Herstellern und Konformitätsbewertungsstellen unter bestimmten Bedingungen mehr Zeit ein, um die Anforderungen der EU-IVDR umzusetzen.
Um das Risiko von Versorgungsengpässen in der Schweiz zu reduzieren und eine gleichwertige Gesetzgebung mit der EU beizubehalten, beantragt das Eidgenössische Department des Inneren (EDI) dem Bundesrat voraussichtlich bis Ende Jahr, die neuen Übergangsfristen des EU-Rechts in die IvDV zu übernehmen.
Regulierung von Produktgruppen ohne medizinische Zweckbestimmung
Am 1. Dezember 2022 hat die Europäische Kommission die Durchführungsverordnungen (EU) 2022/2346 und (EU) 2022/2347 erlassen, welche die Anforderungen an Produktgruppen ohne medizinische Zweckbestimmung verschärfen. Diese Produkte, die hauptsächlich kosmetischer Art sind, deren Risikoprofil aber dem von Medizinprodukten ähnelt, sind in Anhang 1 der MepV aufgelistet. Um die Sicherheit dieser Produkte in der Schweiz zu erhöhen, hat der Bundesrat beschlossen, die Schweizer Regelung an diejenige der EU anzupassen. Diese Produkte werden unter Berücksichtigung der in der EU geltenden Übergangsfristen der Medizinprodukteregelung unterstellt.
Weitere Informationen zu diesen Produkten finden Sie auf der Webseite von Swissmedic: Produktgruppen ohne medizinische Zweckbestimmung.
Parlamentarischer Vorstoss
Am 28. November 2022 haben die beiden Räte die Motion 20.3211 «Für mehr Handlungsspielraum bei der Beschaffung von Medizinprodukten zur Versorgung der Schweizer Bevölkerung» angenommen und an den Bundesrat überwiesen.
Diese Motion beauftragt den Bundesrat, die Gesetzgebung so anzupassen, dass in der Schweiz auch Medizinprodukte aussereuropäischer Regulierungssysteme zugelassen werden können.
Angesichts der Unterschiede zwischen den Zulassungs-/Zertifizierungssystemen für Medizinprodukte ausserhalb der EU prüft das BAG derzeit, wie diese Motion umgesetzt werden kann, ohne die Patientensicherheit zu gefährden. Dazu sind Abklärungen und Vorarbeiten im Gange.
Die aktuelle Gesetzgebung zu den Medizinprodukten bleibt weiterhin in Kraft.
Zuständigkeiten
Das EDI beauftragt das BAG mit der Ausarbeitung einer Vorlage zur Änderung der Medizinprodukteregulierung. Die Ausarbeitung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit Swissmedic, dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) und der Abteilung Europa des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten EDA.
Das für die Aktualisierung des Mutual Recognition Agreement (MRA) zuständige Amt ist das SECO.
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Letzte Änderung 24.09.2024
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