Wie entwickelt sich die Antibiotikaresistenzlage?

Auf globaler Ebene werden die häufigsten pathogenen Bakterien immer resistenter. Sie können zunehmend einer oder sogar mehreren Klassen von Antibiotika widerstehen.

Entwicklung von Antibiotikaresistenzen in der Schweiz

Das Schweizerische Zentrum für Antibiotikaresistenzen (ANRESIS) ist seit 2014 vom BAG beauftragt, die Entwicklung antibiotikaresistenter Bakterien zu überwachen, insbesondere derjenigen Bakterien, die für die öffentliche Gesundheit die grösste Bedrohung darstellen. Mithilfe von freiwilligen Meldungen verschiedener Laboratorien unterhält das Zentrum eine interaktive Datenbank.

Die Schweiz ist im Verhältnis zur Bevölkerungsgrösse weniger von Infektionen mit resistenten Bakterien betroffen als Frankreich oder Italien, aber stärker als die skandinavischen Länder oder die Niederlande.

Die seit 2004 beim Menschen erhobenen Resistenzdaten zeigen unterschiedliche Entwicklungen: Bei einigen Bakterienarten haben Resistenzen stark zugenommen, bei anderen Arten ist die Antibiotikaresistenz stabil geblieben oder zurückgegangen. Im Fall von Escherichia coli – ein häufiger Verursacher von Blasenentzündungen – hat die Resistenz gegen Fluorchinolone (eine oft verwendete Klasse von Antibiotika) zugenommen; die Resistenz gegen eine Klasse von Breitband-Antibiotika (Cephalosporine der dritten und vierten Generation) ebenso. Im Fall von Klebsiella pneumoniae, einer anderen Bakterienart, die manchmal die Harn- und Atemwege infiziert, hat die Resistenz ebenfalls deutlich zugenommen. Die Resistenzraten bei diesen Erregern haben sich jedoch in den letzten Jahren stabilisiert. Die Ursachen für diese Stabilisierung sind noch unklar und werden nun genauer analysiert.

Der Anteil der Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) hat sich seit 2016 leicht erhöht. Leider kann die Anwesenheit solcher Keime in einem Krankenhaus dazu führen, dass gewisse chirurgische Eingriffe nicht mehr durchgeführt werden dürfen. VRE haben in den Jahren 2018/19 für einen grösseren regionalen Ausbruch gesorgt, weshalb diese Situation nun eng überwacht wird.

Infektionen durch Penizillin-resistente Streptokokken – die etwa Lungenentzündungen verursachen können – haben wahrscheinlich dank einer neu verfügbaren Impfung abgenommen, weil der Impfstoff auch vor antibiotikaresistenten Streptokokken schützt.

Auch der Anteil Methizillin-resistenter Bakterien der Art Staphylococcus aureus bei invasiven Eingriffen ist gesunken. Dieser Rückgang wird auf die erfolgreichen Bemühungen in den Spitälern zurückgeführt, solche Infektionen frühzeitig zu entdecken und rasch zu behandeln.

Die Abbildung zeigt die Entwicklung der Resistenzen von verschiedenen pathogenen Bakterienarten, die Blutvergiftungen oder Hirnhautentzündungen hervorrufen können. Seit 2004 sind die Resistenzraten bei den meisten Bakterien für die meisten Antibiotikaklassen gestiegen. Ausnahmen werden im Text erwähnt.
Auswahl von Resistenzraten hochresistenter Mikroorganismen in der Schweiz (Quelle: anresis.ch; Illustration Communication in Science)

Antibiotikaresistenzen weltweit

Auf globaler Ebene werden die häufigsten pathogenen Bakterien immer resistenter. Sie können zunehmend einer oder sogar mehreren Klassen von Antibiotika widerstehen. Die beunruhigendste Entwicklung betrifft die Enterobakterien, wie etwa Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae, die im menschlichen Darm stark vertreten sind. Bei diesen Bakterien werden multiresistente Stämme immer häufiger beobachtet.

Vor ungefähr 10 Jahren machten sich die Spezialisten vor allem Sorgen um die sogenannte ESBL-Resistenz, einer Resistenz gegen eine grosse Bandbreite von Antibiotika aus der Familie der Penizilline. Um solche resistenten Infektionen zu behandeln, griff die Ärzteschaft auf eine neuere Klasse von Antibiotika zurück, auf die sogenannten Carbapeneme. Doch seither haben die Bakterien auch gegen diese Medikamente Resistenzen entwickelt, beispielsweise dank den sehr effizienten Resistenz-Enzymen NDM-1 oder KPC. Seit dem 1. Januar 2016 besteht deswegen in der Schweiz eine Meldepflicht für Carbapenemase produzierende Enterobakterien (CPE).

Aufgrund dieser beunruhigenden Entwicklung sahen sich Ärztinnen und Ärzte gezwungen, wieder Polymyxine, vor allem Colistin, zu verschreiben, eine alte Klasse von Antibiotika, die wegen ihrer vorwiegend die Nieren betreffenden Nebenwirkungen zuvor wenig gebraucht worden war. Ende 2015 haben Forschende eine neue Resistenzform gegen Colistin entdeckt, die sich rasch unter den Bakterien ausbreiten kann. Für die Resistenz verantwortlich ist ein Gen namens mcr-1, das sich auf einem sogenannten Plasmid und nicht im bakteriellen Chromosom befindet. Deshalb ist es sehr schwierig geworden, Patientinnen und Patienten mit einer Infektion von Polymyxin-resistenten Bakterien zu behandeln, was bis jetzt jedoch äusserst selten der Fall ist.

Weiterführende Themen

Strategie Antibiotikaresistenzen Bereich Mensch

So viel wie nötig, so wenig wie möglich – Antibiotika als lebensrettende Medikamente sollen langfristig erhalten bleiben.

Carbapenemase-produzierende Enterobakterien (CPE)

Bakterien, deren Resistenzentwicklung gegen Antibiotika eine vorhandene oder potentielle Bedrohung der öffentlichen Gesundheit darstellen, werden sorgfältig überwacht.

Letzte Änderung 19.11.2024

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