Wie gelangt die Radioaktivität nach einem Unfall in die Lebensmittel

Felder, Weiden und Böden

Nach einem nuklearen oder radiologischen Ereignis, zum Beispiel ein Unfall in einem Kernkraftwerk oder die Detonation einer Atombombe, gelangen radioaktive Stoffe in die Atmosphäre und werden dort durch Winde weiter verfrachtet. Regen oder Schnee waschen diese Stoffe aus und lagern sie auf dem Boden oder auf Oberflächen von Pflanzen wie Gras oder Obst und Gemüse ab. Neben dieser sogenannten nassen Deposition, wird ein Teil der radioaktiven Partikel von den Blättern der Pflanzen auch abgefangen, wenn es keinen Niederschlag gibt (trockene Deposition). Diese beiden Phänomene führen zu einer sofortigen Kontamination von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Lebensmitteln, die sich zum Zeitpunkt des Wolkendurchzugs im Freien befanden.

Bei trockener Deposition sind vor allem Pflanzenteile wie Blätter oder Früchte betroffen, bei nasser Deposition lagert sich die Radioaktivität vornehmlich auf dem Boden ab. Das Ausmass der Kontamination bei trockener Deposition hängt auch von der Art der Radionuklide ab und ist beispielsweise für Jod deutlich grösser als für Cäsium.

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Schema zur Veranschaulichung der trockenen und nassen atmosphärischen Deposition. Radioaktivität gelangt auf die Pflanzenteile durch nasse Deposition oder Umverteilung durch Regenwasser auch auf die Bodenoberfläche. Im Boden bleibt die Radioaktivität an der Oberfläche und durch Infiltration des Wassers auch in der Tiefe lange vorhanden (@IRSN)

Die Oberflächenkontamination von Obst und Gemüse wird in den folgenden Tagen und Wochen sehr schnell abnehmen, zum einen durch radioaktiven Zerfall (bei Elementen mit kurzer Halbwertszeit wie Jod), durch "Reinigung" durch Wind und Regen, die nach dem Durchzug der radioaktiven Wolke wieder sauber sind. Eine Kontamination durch direkte Ablagerung von radioaktivem Staub auf der Oberfläche von Obst und Gemüse kann durch gründliches Waschen beseitigt werden.

Nutztiere, die kontaminiertes Gras von der Weide fressen, nehmen ihrerseits die Radioaktivität auf. Sobald die Radioaktivität jedoch von Nutztieren über das Futter aufgenommen wird, kann eine Kontamination von Milch und Fleisch nicht mehr verhindert werden.

Die unmittelbaren Folgen für die Lebensmittel hängen auch von der Jahreszeit ab, in der ein Unfall oder ein anderes radiologisches Ereignis geschieht. Im Winter, wenn das Vieh hauptsächlich im Stall gehalten und altes, gelagertes, also nicht der Wolke ausgesetztes Futter erhält und wenn die Gemüseproduktion hauptsächlich in Gewächshäusern stattfindet, sind die Folgen geringer, als bei einem Unfall im Frühling, wie es im April 1986 bei der Katastrophe von Tschernobyl der Fall war.

Mit der Zeit wird eine Kontamination langsam tiefer in den Boden diffundieren und allmählich abnehmen. Wenn jedoch die freigesetzten radioaktiven Elemente eine lange Halbwertszeit haben (wie Cäsium-137 mit einer Halbwertszeit von über 30 Jahren), wird die Kontamination der Lebensmittel einige Wochen nach dem Unfall wieder zunehmen. Denn dann, etwas tiefer im Boden, nehmen die Wurzeln die Radioaktivität auf und übertragen diese auf die Pflanze. Es ist dann nicht mehr die Oberfläche der Pflanze kontaminiert, sondern das Pflanzeninnere. Eine Dekontamination durch Abwaschen ist nicht mehr möglich. In der Regel ist diese zweite Kontaminationen aber deutlich geringer als die unmittelbar nach dem Unfall gemessenen Kontaminationen.

Einige Waldpflanzen, wie Pilze oder bestimmte Beeren, können gezielt bestimmte radioaktive Elemente aufnehmen: Man spricht hier von Bioakkumulation von Radionukliden. Diese Lebensmittel können noch jahrzehntelang nach einem Unfall kontaminiert sein.

Seen und Flüsse

Bei einem atomaren Ereignis können auch Seen und Flüsse kontaminiert werden, entweder direkt, wenn radioaktive Stoffe aus einem havarierten Kernkraftwerk in einen Fluss gelangen, oder über kontaminiertes Regenwasser. Jetzt nehmen die Fische die radioaktiven Stoffe ihrerseits auf, ein Prozess der über längere Zeit läuft, so dass die Kontamination der Fische erst einige Wochen nach dem Unfall am stärksten ist.

Die Kontamination von Lebensmitteln nach dem Unfall von Tschernobyl, 1986

Letzte Änderung 21.04.2023

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