Um die Belastung durch endokrine Disruptoren (ED) zu reduzieren, müssen wir mehr über diese Substanzen wissen: wie sie wirken, wo sie vorkommen und wie sie in unseren Körper oder in die Umwelt gelangen.
Welche Aufgaben haben die Hormone und das Hormonsystem?
Viele Funktionen des menschlichen oder tierischen Körpers wie Körpertemperatur, Blutdruck, Wachstum oder Fortpflanzung werden von den Hormonen gesteuert.
Hormone sind Botenstoffe, die mit den Zellen «kommunizieren» und ihnen so Informationen übermitteln können. Sie werden von verschiedenen Organen (z.B. Schilddrüse, Sexualorgane oder Bauchspeicheldrüse) produziert und über das Blut durch den ganzen Körper zu einem Zielorgan transportiert.
Sobald das Hormon bei den Zellen des Zielorgans angekommen ist, funktioniert es wie ein Schlüssel, den man in ein Schloss steckt, um eine Tür zu öffnen:
- Das Hormon bindet an den passenden Rezeptor
- Durch die Bindung des Hormons an den Rezeptor wird ein Signal ausgelöst
- Das Signal führt zu einer spezifischen Reaktion der Zelle
Dieses «Kommunikationssystem» wird als endokrines System oder Hormonsystem bezeichnet.
Was sind endokrine Disruptoren und wie wirken sie?
Wie der Name schon sagt, beeinträchtigen endokrine Disruptoren die normale Funktion der Hormone. Dabei wird die Funktion der Hormone nachgeahmt, blockiert oder gestört. Dies kann wiederum zu einer Fehlfunktion des Zielorgans führen, welches normalerweise durch das körpereigene Hormon reguliert wird.
Beispielsweise wenn der endokrine Disruptor an einen Rezeptor bindet und das eigentliche Hormon verdrängt. Es entsteht eine fehlerhafte Zellantwort, welche die Funktion des betroffenen Organs beeinträchtigen kann.

Nicht jede Substanz, die auf das Hormonsystem einwirkt, ist ein endokriner Disruptor. Eine Substanz gilt nur dann als endokriner Disruptor, wenn sie den Hormonhaushalt stört und zudem schädliche Auswirkungen auf den Körper der betroffenen Person oder ihrer Nachkommen hat.
Endokrine Disruptoren wirken sich auf verschiedene Hormone aus, und beeinflussen dadurch verschiedene Funktionen wie Blutkreislauf, Nerven-, Atmungs- und Fortpflanzungssystem, oder auch Wachstum, Verhalten und Schlaf. Kleinste, durch endokrine Disruptoren verursachte Veränderungen im Hormonsystem können unterschiedliche Auswirkungen auf diese Funktionen haben.
Interessanterweise haben Substanzen mit einer ähnlichen chemischen Struktur nicht immer dieselbe Wirkung. Nur weil eine Substanz als endokriner Disruptor gilt, heisst dies nicht, dass alle anderen Substanzen derselben Familie auch diese Wirkung haben.
Wo kommen endokrine Disruptoren vor?
Endokrine Disruptoren können natürliche oder synthetisch-hergestellte Substanzen sein und sind fast überall zu finden. Sie können zum Beispiel in
- Spielzeug,
- Möbeln,
- Verpackungen,
- Kleidung,
- Hygieneartikeln,
- Reinigungsmitteln oder auch in
- Pflanzen wie Soja oder Klee
vorkommen.
Das Thema «endokrine Disruptoren» ist daher für verschiedene Bereiche wie Gesundheit, Konsumentenschutz, Umwelt, Gesundheit am Arbeitsplatz, Lebensmittelsicherheit und Landwirtschaft von Bedeutung.
Die tägliche Nahrung ist eine der bedeutendsten Quellen für die Belastung durch endokrine Disruptoren. Sie können in den Lebensmitteln selbst enthalten sein, entweder als Bestandteil von Pflanzen (z.B. Soja) oder als Folge einer Umweltkontamination (z.B. Pestizidrückstände).
Sie können aber auch über Lebensmittelverpackungen und Küchenutensilien, die mit diesen Substanzen kontaminiert sind, in die Lebensmittel gelangen. So können die endokrinen Disruptoren direkt oder indirekt über die Nahrung in unseren Körper gelangen.
Eine Gefahr bedeutet nicht unbedingt ein Risiko

Es ist wichtig, zwischen Gefahr und Risiko zu unterscheiden. Beispielsweise sind eine Giftschlange und ein Löwe gefährliche Tiere – für die Besucher und Besucherinnen im Zoo besteht jedoch kein Risiko von diesen Tieren angegriffen zu werden, da sie hinter Glas oder in ihren Gehegen sind.
Dasselbe Prinzip gilt für Chemikalien: Auch wenn eine Chemikalie als gefährlich gilt, bedeutet dies nicht, dass sie ein Gesundheitsrisiko darstellt. Die Exposition - also der Kontakt mit dieser Substanz, muss berücksichtigt werden. Je geringer der Kontakt mit einer Substanz ist, desto geringer ist auch das Risiko einer schädlichen Wirkung.
Daher ist eine gefährliche Substanz in einem Produkt nicht unbedingt schädlich für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Zum Beispiel ist ein Entkalkungsmittel ätzend. Es kann somit gesundheitsschädlich sein, wenn es auf die Haut gelangt oder eingenommen wird. Wird es aber korrekt zur Entkalkung einer Kaffeemaschine verwendet und anschliessend ausgespült, besteht kein Risiko für die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Eine gefährliche Chemikalie kann deshalb für Alltagsgegenstände zugelassen werden. Wird der entsprechende Gegenstand richtig verwendet, kommen die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht mit der Chemikalie in Kontakt – das heisst es gibt keine Exposition – und das Risiko einen Schaden zu nehmen ist reduziert.
So werden Chemikalien, die als endokrine Disruptoren identifiziert wurden, weiterhin verwendet. Oft verleihen sie den Produkten und Materialien vielfältige und interessante Eigenschaften wie Festigkeit, Haltbarkeit, besondere Flexibilität oder antibakterielle Eigenschaften – ohne dabei ein Risiko für die Verbraucherinnen und Verbraucher darzustellen.
Eine Vielzahl regulatorischer Massnahmen zielen darauf ab die Exposition durch endokrine Disruptoren zu reduzieren. Auf diese Weise werden die verbundenen Risiken für Mensch und Umwelt umfassend minimiert (siehe Abschnitt «Regulatorische Massnahmen und Gesetzgebung»).
Letzte Änderung 12.07.2024
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