Volk und Stände haben die Initiative «Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)» am 28. November 2021 angenommen. Der Bundesrat beschloss daraufhin, die Initiative in zwei Etappen umzusetzen.
Die Pflege ist ein wichtiger Pfeiler der medizinischen Versorgung und der Bedarf steigt aufgrund der demografischen Alterung der Gesellschaft laufend. Weil es immer mehr ältere Menschen gibt, werden in den nächsten Jahren auch Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die Zahl der mehrfach Erkrankten zunehmen. Gleichzeitig verschärft sich der Fachkräftemangel in der Pflege. Die Schweiz wird dadurch immer stärker abhängig von Pflegekräften aus dem Ausland. Damit die Qualität der Pflege erhalten bleibt und alle Menschen Zugang zu einer guten Pflege haben, müssen mehr Pflegende ausgebildet werden und die Berufsverweildauer verlängert werden.
Am 28. November 2021 wurde die Initiative «Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)» von Volk und Ständen mit einem Ja-Anteil von 61% angenommen. Artikel 117b Bundesverfassung verlangt, dass Bund und Kantone die Pflege als wichtigen Bestandteil der Gesundheitsversorgung anerkennen und fördern. Der Zugang zu einer Pflege von hoher Qualität soll für alle Menschen garantiert sein. Bund und Kantone sollen sicherstellen, dass genügend diplomierte Pflegefachpersonen zur Verfügung stehen. Zudem sollen Pflegende entsprechend ihrer Ausbildung und ihren Kompetenzen arbeiten können, damit diese zu einer hohen Pflegequalität beitragen.
Die Übergangsbestimmung Artikel 197 Ziffer 13 BV verlangt Bundesregelungen zu Arbeitsbedingungen, zur Abgeltung, zur beruflichen Entwicklung und zur Abrechnung.
Der Bundesrat hat am 12. Januar 2022 beschlossen, dass die Pflegeinitiative in zwei Etappen umgesetzt werden soll.
Umsetzung 1. Etappe
Das Parlament hat am 16. Dezember 2022 das Bundesgesetz zur Förderung der Ausbildung im Bereich Pflege verabschiedet.
Die Vorlage beinhaltete Folgendes:
- Die Ausbildungsoffensive, welche die Ausbildung der Pflegepersonen auf Tertiärstufe fördern und die Zahl der Bildungsabschlüsse in Pflege höhere Fachschule (HF) und in Pflege Fachhochschule (FH) erhöhen soll. Hier lesen Sie mehr zur Ausbildungsoffensive.
- Die Möglichkeit, dass Pflegefachpersonen bestimmte Leistungen direkt, sprich ohne ärztliche Anordnung, zulasten der Sozialversicherungen abrechnen können. Hier erfahren Sie mehr zur direkten Abrechnung der Pflegeleistungen.
- Das Förderprogramm «Effizienz in der medizinischen Grundversorgung» (EmGv). Hier lesen Sie mehr zum Förderprogramm EmGv.
Die rechtlichen Grundlagen der 1. Etappe sind am 1. Juli 2024 in Kraft getreten. Am gleichen Tag wurde ausserdem das Nationale Monitoring Pflegepersonal veröffentlicht. Das Monitoring soll ermöglichen, die Wirkung der im Rahmen der Umsetzung der Pflegeinitiative getroffenen Massnahmen regelmässig und langfristig zu überprüfen und stellt Bund und Kantonen Steuerungswissen zur Verfügung.
Umsetzung 2. Etappe
In Erfüllung der Übergangsbestimmung nach Art. 197 Ziff. 13 BV will der Bund in der 2. Etappe die weiteren Forderungen der Pflegeinitiative nach Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Förderung der beruflichen Entwicklung umsetzen.
Der Bundesrat hat am 25. Januar 2023 die Eckpunkte der 2. Etappe festgelegt, um die restlichen Forderungen der Initiative umzusetzen.
Am 8. Mai 2024 hat der Bundesrat die Vernehmlassung zu diesen gesetzlichen Regelungen eröffnet: dem Vorentwurf des Bundesgesetzes über die Arbeitsbedingungen in der Pflege (BGAP) sowie dem Vorentwurf der Revision des Gesundheitsberufegesetzes (GesBG). Die Vernehmlassung dauerte bis zum 29. August 2024. Hier finden Sie die Stellungnahmen zur Vernehmlassung sowie den Vernehmlassungsbericht.
Am 21. Mai 2025 hat der Bundesrat die folgenden beiden Gesetzesvorlagen zuhanden des Parlaments verabschiedet:
- Entwurf zum BGAP. Hier lesen Sie mehr zum neuen BGAP.
- Entwurf zur Revision des GesBG. Hier lesen Sie mehr zur Förderung der beruflichen Entwicklung und zur Revision des GesBG.
Unter «Dokumente» (s. unten) finden Sie die Botschaft zur 2. Etappe. In einem nächsten Schritt entscheidet das Parlament über die beiden Gesetzesentwürfe.
FAQ zur 2. Etappe
Die Vorgaben zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege könnten grundsätzlich auch in einer anderen Form als in einem neuen Bundesgesetz festgeschrieben werden. Entsprechende Varianten wurden in einer frühen Projektphase geprüft, unter anderem der Erlass eines Normalarbeitsvertrages für die Pflege auf nationaler Ebene, die Ausweitung des Geltungsbereichs des Arbeitsgesetz oder die Anpassung des Obligationenrechts.
Die Ausweitung des Geltungsbereichs von bestehenden Gesetzen hätte aber Nachteile: Weder das Arbeitsgesetz noch das Obligationenrecht sehen spezifische Bestimmungen für einzelne Berufsgruppen vor. Es wäre entsprechend systemfremd, wenn die spezifischen Vorgaben für die Pflegeberufe im Arbeitsgesetz oder den Verordnungen dazu definiert würden. Der grösste Nachteil einer solchen Lösung wäre aber, dass die neuen Vorschriften nur für diejenigen Angestellten gelten würden, die dem Arbeitsgesetz unterstehen. Für alle anderen Personen würden die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen nicht zum Tragen kommen.
Im Rahmen der Vorarbeiten haben Expertinnen und Experten von Leistungserbringer- und Pflegeverbänden ihre Befürchtung geäussert, dass die Einführung einer «nurse-to-patient-ratio»* bzw. von fixen Vorgaben zum Skill-Grade-Mix** die bereits bestehenden Rekrutierungsprobleme der Betriebe weiter verschärfen würde.
Zudem liegen zurzeit keine gesicherten Grundlagen vor, wie eine optimale bedarfsgerechte Personalausstattung zu berechnen wäre. Dies zeigt sich auch dadurch, dass sich die Vorgaben gewisser Kantone zur Personalausstattung in erster Linie an Durchschnitts- und Erfahrungswerten orientieren und sich untereinander stark unterscheiden. Es ist folglich in der Verantwortung der Gesundheitseinrichtungen, eine bedarfsgerechte Personalausstattung sicherzustellen, so dass eine gute Pflegequalität gewährleistet werden kann.
* die Festlegung einer Mindestanzahl Pflegefachpersonen pro Patienten bzw. pro Patientin.
** Zusammensetzung von Pflegeteams aus Personen mit verschiedenen Kompetenzen, Erfahrungen (Skills) und Bildungsabschlüssen (Grades).
Durch die Massnahmen der 2. Etappe der Pflegeinitiative ist mit jährlichen Mehrkosten zu rechnen, zum einen für die Kantone, zum andern auch für die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) und weitere Sozialversicherungen. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals ist indes nötig, um den Pflegeberuf aufzuwerten und die Qualität der Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Wie hoch die Mehrkosten sein werden, ist schwierig zu schätzen und hängt massgeblich von der konkreten Ausgestaltung ab. Dies zeigt ein Bericht im Auftrag des BAG.
- Mögliche Mehrkosten für die Spitäler:
Für stationäre OKP-Leistungen von Spitälern gilt die Spitalfinanzierung. Mögliche Mehrkosten würden sich in der Tarifierung für die Spitalleistungen niederschlagen und können einen Prämienanstieg in der OKP nach sich ziehen. Über die Auswirkungen auf die Prämien kann zum heutigen Zeitpunkt noch nichts gesagt werden, da unter anderem noch nicht bekannt ist, wieviel Mehrkosten die einzelnen Massnahmen verursachen, wieviel davon durch Effizienzsteigerungen wettgemacht wird und welcher Anteil der Mehrkosten dann auch tatsächlich für die Tarifermittlung geltend gemacht werden kann.
- Mögliche Mehrkosten für die Pflegeheime und Spitex:
Für OKP-Leistungen von Pflegeheimen und Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause gilt die Pflegefinanzierung. Die Pflegebeiträge der OKP sind festgeschrieben und sollen derzeit nicht angepasst werden.
Mögliche Mehrkosten würden im Rahmen der aktuellen Pflegefinanzierung durch die Restfinanzierung gedeckt werden, das heisst durch die Kantone oder Gemeinden, soweit die Kosten dafür transparent ausgewiesen und die Pflegeleistungen effizient erbracht wurden.
Die Annahme der Pflegeinitiative hat an den Zuständigkeiten im Gesundheitssystem nichts geändert, entsprechend hat der Bund bei der Finanzierung von Mehrkosten nur einen beschränkten Handlungsspielraum. Die Verantwortung für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung tragen weiterhin die Kantone, darunter fällt auch die Mitfinanzierung der Leistungen von Spitälern, Kliniken und Langzeitinstitutionen. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt festgelegte Anteile an die stationären und die ambulanten Pflegeleistungen.
Spitäler | Im stationären Bereich erfolgt die Finanzierung über Fallpauschalen (DRG-System). Die Kosten werden durch die Kantone (mind. 55%) und die OKP (max. 45%) vergütet. Darüber hinaus können die Kantone gemeinwirtschaftliche Leistungen GWL finanzieren (z.B. Forschung und Lehre). Im ambulanten Bereich erfolgt die Vergütung in der Regel über TARMED (künftig: TARDOC sowie ambulante Patientenpauschalen). |
Alters- und Pflegeheime | Pflegeleistungen werden wie folgt finanziert:
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Spitex | Die Pflegeleistungen werden gleich finanziert wie bei den Pflegeheimen. Die Beiträge werden nach der aufgewendeten Zeit und der Art der Pflegeleistungen berechnet. Hauswirtschaftliche Leistungen werden durch die betreuten Personen, allenfalls über deren Zusatzversicherungen, finanziert (ggf. mit Unterstützung der Ergänzungsleistung), teilweise beteiligen sich auch Kanton/Gemeinden daran. |
EFAS | Ab dem Jahr 2028 werden ambulante und stationäre Leistungen der OKP einheitlich finanziert, ab 2032 auch die Pflegeleistungen. Die Versicherung erstattet die Kosten der versicherten Leistungen. Die Kantone leisten einen Beitrag von 26.9% der Nettokosten (abzüglich Kostenbeteiligung) an die Versicherer. |
Ab 2032 wird mit dem Inkrafttreten der einheitlichen Finanzierung der Leistungen in der OKP das bestehende Finanzierungsmodell für die Pflegeleistungen durch ein Tarifsystem abgelöst. Es ist davon auszugehen, dass die Mehrkosten, die aus der Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu erwartend sind, in die Tarifermittlung einfliessen werden.
Der GAV ist ein Vertrag zwischen Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden und Arbeitnehmerverbänden zur Regelung der Arbeitsbedingungen und des Verhältnisses zwischen den GAV-Parteien. In einem GAV können Vorgaben für die Einzelarbeitsverträge festgelegt werden wie Lohn, 13. Monatslohn, Lohnfortzahlung wegen Krankheit etc., Ferien, Arbeitszeitvorschriften usw.
Im Entwurf des BGAP sollen die Sozialpartner verpflichtet werden, Gespräche zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen aufzunehmen und über GAV zu verhandeln. Die Sozialpartner können in einem GAV von den Vorgaben des neuen Bundesgesetzes abweichen. Zwingende Bestimmungen des Arbeitsgesetzes, des Obligationenrechts, von kantonalen Personalgesetzen und weiteren spezialrechtlichen Regelungen müssen aber weiterhin eingehalten werden.
Für die Arbeitszufriedenheit wichtige Faktoren wie die Betriebskultur oder die Wertschätzung durch die Führungspersonen können nicht in einem Bundesgesetz geregelt werden. Für Verbesserungen in diesem Bereich sind die einzelnen Institutionen verantwortlich und aufgefordert, Massnahmen zu ergreifen.
In einer gemeinsamen Erklärung zwischen der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK), den Arbeitgeberverbänden und den Berufsverbänden / Gewerkschaften haben diese Akteure den Handlungsbedarf festgehalten und die nötigen Massnahmen aufgezeigt. Das Programm «Stärkung Pflege» aus dem Kanton Zürich zeigt beispielsweise auf, was bereits unter geltendem Recht möglich ist.
Mit dem Entwurf des BGAP wird die Situation für sämtliche Arbeitnehmenden im Bereich der Pflege verbessert. Die Sozialpartner werden aber weiterhin darüberhinausgehende Regelungen vereinbaren können.
Dokumente
2. Etappe
Zahlen und Fakten zur Pflege in der Schweiz
Faktenblatt: Pflegefinanzierung - Anhang: OKP-Beiträge an Pflegeleistungen (PDF, 113 kB, 01.05.2024)
Juristisches Gutachten zur arbeitsrechtlichen Situation des Pflegepersonals
Forschungsbericht zur Qualität in der Pflege
Links
Studie: Schweizer Kohorte der Gesundheitsfachkräfte und pflegenden Angehörigen (www.scohpica.ch/de/)
Gesetze
2. Etappe
1. Etappe
Ausführungsrecht 1. Etappe
Medien
Letzte Änderung 28.05.2025
Kontakt
Bundesamt für Gesundheit BAG
Abteilung Gesundheitsversorgung und Berufe
Sektion Grundversorgung Gesundheitsberufe
Schwarzenburgstrasse 157
3003
Bern
Schweiz