Liebe Leserin, lieber Leser
Anfang September fand in Bern die 2. Stakeholderkonferenz Sucht zum Thema «Chancengleichheit in der Suchthilfe» statt. Als Projektleiterin der Nationalen Strategie Sucht war diese Konferenz für mich besonders wertvoll, weil sie Gelegenheit bot, mich vor Ort mit Fachleuten aus der Praxis auszutauschen. Gleichzeitig ermöglichte die Veranstaltung es mir, zu spüren, wie es um die Umsetzung der Strategie steht und wie sich zeigende Lücken und Schwachstellen anzugehen sind. Die Strategie mit ihren Massnahmen kommt dann zum Fliegen, wenn es gelingt, sie als Instrument zu nutzen, um jene Themen in den Fokus zu rücken, die die Akteure der Suchthilfe in ihrem Alltag vor immer neue Herausforderungen stellen.
Ein Highlight der Konferenz war es für mich festzustellen, wie relevant das diesjährige Schwerpunktthema in der Praxis ist. Suchtfachleute kennen konkrete Ansatzpunkte, um Ungleichheiten im Zugang zu Gesundheitsversorgung und spezifisch zu Suchthilfeangeboten zu ebnen. Gleichzeitig kommen wir nicht umhin, uns immer wieder folgende Fragen zu stellen: Wie erreichen wir Familien in vulnerablen Situationen? Wie ist die Zugänglichkeit zu psychiatrischen Angeboten für Suchtbetroffene? Erhalten Suchtbetroffene im Strafvollzug die nötigen Hilfestellungen und Angebote? Wie funktioniert Suchtprävention bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung? Und die grosse Frage: Wie erreichen wir die «Unerreichbaren»? Zielführend sind hier bereichsübergreifende Kooperationen und allseitiges Sensibilisieren für die Bedürfnisse der potentiell von Chancenungleichheit Betroffenen.
Für mich ist klar: Ein umfassendes Suchthilfeangebot ist nur dann erfolgreich, wenn die besonders Vulnerablen Zugang zu den Angeboten haben und sie auch in Anspruch nehmen. Nach wie vor geht man von einer grossen Dunkelziffer an nicht erreichten Suchtbetroffenen aus. Entwicklungen im Bereich der integrierten Versorgung könnten zu einem einfacheren und chancengerechteren Zugang beitragen, da sich durch bereichsübergreifende Kooperationen die Eingangspforten zu unterstützenden Angeboten vervielfältigen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit eine ganzheitliche Sicht des betroffenen Menschen fördert. Um tragfähige Modelle ausarbeiten zu können, sind Politik und Verwaltung jedoch gleichermassen gefordert: Den Akteuren der Suchthilfe und der Gesundheitsversorgung muss es ermöglicht werden, sich gezielt und ohne Kosten- und Legitimationsdruck auch diesen Gruppen zu widmen.
Ich danke an dieser Stelle all jenen, die sich jeden Tag beherzt für Menschen einsetzen, deren Stimme allzu leicht überhört wird und mit ihrem Einsatz dafür sorgen, dass Chancengleichheit auch in der Suchthilfe gelebt werden kann.
Übrigens: Die BAG-Broschüre «Chancengleichheit» wurde mit neuen Kennzahlen zum Thema Sucht ergänzt. Wir freuen uns, wenn Sie sie in Ihrer täglichen Arbeit nutzen können.
Save the date – am 6. Mai 2019 findet der gemeinsame Stakeholderanlass der beiden Nationalen Strategien NCD sowie Sucht zum Thema «Alter» statt.